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Jubiläum einer Erfolgsgeschichte

17. Juni 2003

- Tausende von deutschen Ärzten in Ungarn ausgebildet

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Budapest, 17.6.2003, PESTER LLOYD, deutsch

Tausende von deutschen Ärzten, Zahnärzten, Pharmazeuten und Veterinären begannen und beendeten ihr Studium in Ungarn. Vor 20 Jahren eröffnete man auch ausländischen Studenten aus dem "Westen" die Möglichkeit, sich an ungarischen Universitäten weiterzubilden. Ein Unterfangen, bei dem sich die Interessen beider Seiten trafen. Für viele Deutsche bedeutete das Studium in Ungarn die Chance, dem Numerus Clausus oder den begrenzten Studienplätzen der Heimat zu entkommen. Hatten sie die ersten zwei Studienjahre hinter sich, konnten sie ihr Studium problemlos in Deutschland fortsetzen. Für die Ungarn dagegen bedeutete dieser Schritt zunächst die dringend benötigten Devisen. Der Erfolg dieser Öffnung steigerte sich von Jahr zu Jahr hin zu einem Faktor, der alle anfänglichen Erwartungen übertrifft: Die gute Ausbildung und die entstandenen persönlichen Kontakte sind zu einem weiteren festen Bindeglied zwischen den beiden Ländern avanciert, die sich seit der Wende noch näher gekommen sind.

Der emeritierte Prof. Attila Fonyó von der Semmelweis-Universität, der von Anfang an dabei war, erinnert sich an die damalige Wirtschaftskrise, in deren Folge der Parteistaat Devisen dringend nötig hatte. In Form von Unterricht gegen Entgelt bestand die Möglichkeit, diese in das Land zu holen. Die Universität sah in dieser Öffnung weit größere Möglichkeiten, nämlich die, dass dadurch nach der langen Zeit der Isolation starke und regelmäßige Kontakte zu den Kollegen in Westeuropa, namentlich in der Bundesrepublik, ausgebaut werden könnten und man davon auch in fachlicher Hinsicht profitieren würde. Begeistert wurde also die Initiative aufgenommen und durchgeführt.

Im ersten Studienjahr, 1983, gab es gleich 240 Bewerber aus West-Deutschland. Der Großteil von ihnen wurde zum Studium zugelassen, doch keineswegs automatisch "fürs Geld". Man achtete sehr wohl auf die Abiturnoten, vor allem, was die Naturwissenschaften betrafen. (Auf diese wird in ungarischen Mittelschulen ein viel stärkerer Akzent gelegt, so dass es auch heute noch vorkommt, dass sich ausländische Bewerber in Sonderkursen für diese Fächer auf das Medizinstudium vorbereiten müssen). Im Allgemeinen hatte man dadurch sehr gut qualifizierte und motivierte Studenten. Diese warteten oft bereits seit Jahren auf die Möglichkeit des Studiums, hatten ihren Militär- bzw. (oft einschlägigen) Zivildienst hinter sich. De facto bedeutet dies, (...) hart für ihren Erfolg zu arbeiten – schließlich bringen sie und ihre Familie für das Studium nicht unerhebliche finanzielle Opfer. (Derzeit beträgt die Studiengebühr 11.000 Euro und liegt damit im internationalen Vergleich im mittleren Bereich. Hinzu kommen noch die Kosten für den Lebensunterhalt, wobei die aus Deutschland stammenden Studierenden, anstatt sich in Studentenheimen einzumieten, oft gemeinsam mit Kommilitonen Wohnungen beziehen).

Obwohl die Anerkennung der Budapester Zeugnisse in Deutschland gesetzlich bislang noch nicht umfassend geregelt ist, werden die Absolventen in der Regel mit keinerlei Schwierigkeiten konfrontiert. Die Landesstellen erkennen – auch im Licht der langjährigen, positiven Erfahrungen – das Studium an, so dass die Studenten bzw. Absolventen ihre Studien ohne Probleme fortsetzen bzw. mit der praktischen Arbeit beginnen können. Prof. Fonyó weiß, wie manch anfängliche Skepsis wich, nachdem man erkannt hatte, dass sich die ungarische Ärzteausbildung überwiegend an denselben Prinzipien orientiert wie die in Deutschland und darüber hinaus auch Vorteile bietet, die an den großen deutschen Universitäten vergeblich gesucht werden. So kommen, im Gegensatz zu westeuropäischen Massenuniversitäten, an der Semmelweis-Universität auf eine Lehrkraft gerade 15 Studenten. Diese schätzen den engen Kontakt zu ihren Professoren und Dozenten, der natürlich auch viel zum Niveau der Ausbildung beiträgt.

Die Frage, ob die hier ausgebildete "Konkurrenz" die Interessen der deutschen Ärzte verletze, wird verneint. Die Zahl ist ohnehin verhältnismäßig unbedeutend, außerdem ist der Ärztebedarf in Deutschland nach der Abwanderung vieler deutscher Ärzte ins Ausland wieder steigend.

Prof. László Solti, Dekan der Veterinärmedizinischen Fakultät der St. István Universität, berichtet über eine ähnliche Erfolgsgeschichte. An seiner Universität gibt es seit 1987 einen deutsch-, seit 1992 auch einen englischsprachigen Studiengang. Seitdem studierten an der Fakultät rund 2.000 Deutsche, derzeit sind 400 eingeschrieben. (...) Die Prüfungen werden gemeinsam mit den ungarischen Kommilitonen abgelegt – so dass keiner behaupten kann, dass es dem einen oder anderen für sein Geld leichter gemacht wurde.

In den nun 20 Jahren studierten an der Semmelweis-Universität knapp 3.000 Deutsche, von denen über 500 auch in Budapest ihr Examen absolvierten. (...) (fp)