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Jugendsünden

Konstantin Klein, Washington22. September 2003

Kaum zu glauben, aber auch Politiker waren mal jung und unvernünftig. Und das kann in Zeiten der politischen Korrektheit über Wahlerfolg oder -misserfolg entscheiden. DW-TV-Korrespondent Konstantin Klein berichtet.

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Seien wir ehrlich: Über das tatsächliche oder auch nur mutmaßliche Sexleben eines Arnold Schwarzenegger wollen wir eigentlich nichts wissen: Uns reicht schon, was er in seinen Filmen an nackter, eingeölter, muskelunterfütterter Haut vorzeigt. Insofern sind wir anders als die politisch korrekten Kalifornier: Die beschäftigt derzeit wenig
so sehr wie, was, wie und mit wem es der heutige Gouverneurskandidat Schwarzenegger in den siebziger Jahren getrieben hat.

In den goldenen Siebzigern war es nämlich, dass der junge Schwarzenegger dem Männermagazin "Oui" ausführlich von Gruppensex im Bodybuilderkreis erzählte. Zur Erinnerung: Gruppensex war damals, warum auch immer, modern - ebenso wie politisch unkorrekte Aussagen über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Diese Aussagen verfolgen den (hoffentlich) gereiften Schwarzenegger in seinem Gouverneurswahlkampf so sehr, dass er sie heute zu Geflunker (im Stile der Siebziger) zu erklären versucht. Denn wenn schon Jugendsünden, dann ist offensichtlich frauenfeindliche Prahlerei weniger schlimm als Sex.


Dabei gäbe es genug Vorbilder, gerade in der amerikanischen Politik, wie man sich elegant von Jugendsünden distanziert. Congressman Henry Hyde beispielsweise erklärte eine sieben Jahre dauernde außereheliche Affäre zur jugendlichen Dummheit - zum Beginn der Affäre war er immerhin schon reife 41 Jahre alt. Der derzeitige Präsident gibt durchaus zu, in früheren Jahren ein trinkfreudiges "party animal" gewesen zu sein - der
Glaube habe ihm darüber hinweggeholfen. Und der Weltmeister im wegerklären von Problemen, Bill Clinton, sagte (unter vielem anderen), er habe zwar Marihuana geraucht, aber nicht inhaliert, und das zähle dann ja nicht.

Beispiele, wie man die eigene Vergangenheit bewältigt, gibt es also genug. Und wenn Schwarzenegger meint, mit seiner Argumentation ("war ja alles nicht so gemeint") durchzukommen, gibt es noch einen anderen Kandidaten, der von diesen prominenten Vorbildern lernen könnte.

Wesley Clark, General a. D., Demokrat und Präsidentschaftskandidat, sieht sich in einer Kolumne der Washington Post Vorwürfen ausgesetzt, die weniger lustig sind als die gegen Schwarzenegger, Hyde oder Clinton. Er soll in den frühen neunziger Jahren ungewöhnlich freundlichen Umgang mit serbischen Machthabern gepflegt haben, die später als Kriegsverbrecher angeklagt wurden.

Diese Vorwürfe, wenn sie sich denn bestätigen lassen, sind gefährlicher als die gegen ClinBuHydenegger, denn sie verraten ein geschwächtes politisches Urteilsvermögen.

Eins zeigen jedoch all die tatsächliche oder vermeintlichen Skandale: Wer in diesem Land politisch etwas werden will, ist am besten von frühester Jugend an allem abgeneigt, was riskant ist und/oder Spaß macht. Ein Langweiler darf der Kandidat aber auch wieder nicht sein - denn die verkaufen sich schlecht.