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Junge Kultur zwischen Marken und MTV

Oliver Seppelfricke27. April 2005

Medien sind überall. Werbung auch. Wie können Jugendliche im Wortlärm noch ihre Persönlichkeit behalten? Die Ausstellung "Coolhunters" versucht, das herauszufinden. Sie zeigt: Junge Menschen sind nicht bloß Konsum-Opfer.

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Jugend heute: Sich selbst finden und den Konsum mal kritisch sehenBild: Anny und Sibel Öztürk und Galerie Vera Gliem

"Ich will echt sein. Ich will mit den Jungs Football spielen. Ich will glücklich sein. Ich will der Erste sein. Ich will der Beste sein." (Aus dem Trailer zur MTV-Sendung "Made")

Die Jugendlichen in Deutschland leben heute in einer kommerzialisierten und mediatisierten Welt - das zeigt die Ausstellung "Coolhunters" in der Städtischen Galerie Karlsruhe. In Fernsehen und Internet kommt fast alles vor, Werbesprüche und Werbeslogans sind überall. "Reich und berühmt sein", das ist heute die Antwort vieler Jugendlicher auf die Frage, was sie einmal werden wollen. Ganz klar auch: Machen ihnen die Musiksender MTV und Viva oder die Superstarshows doch vor, dass es ganz einfach ist, eine Britney Spears, ein Justin Timberlake oder ein "50 Cent" zu sein.

Heute geht’s ums Geld

Heart Explosion, Alex McQuilkin
Auch in der Ausstellung: 'Aye, Me (Heart Explosion) 1' von Alex McQuilkin (2004)Bild: Alex McQuilkin

Stars als Ideale. Arme Ideale? Nur logische! Die Konsumgüterindustrie und die Werbung gaukeln unbegrenzten Konsum vor. Die Kreditinstitute, die verzweifelt um jeden Kunden buhlen, tun mit laxer Kreditvergabe das ihre. Heraus kommt eine hochverschuldete Jugend, so sehr wie noch keine Generation vor ihr. Verschuldet mit Ausgaben für Klamotten, Handyrechnungen und Lifestyleprodukte. Die Konstruktion einer jugendlichen Identität kostet viel Geld.

"Die Situation der Jugendlichen ist über die Generationen hinweg die gleiche geblieben", sagt Sabine Himmelsbach, Kuratorin der Schau. "Es stellen sich die gleichen Fragen, nach dem Motto: Wie definiere ich mich selbst, also meine Individualität innerhalb der Gesellschaft?" Doch der Markt sei dominanter geworden. "Aber wir zeigen eben ganz bewusst dieses ganze Spektrum: Jugendliche einerseits als Konsumenten, aber andererseits als Produzenten, die ganz kritisch damit umgehen."

Schelmenstücke mit Marken

PIPS:lab
PIPS-lab: 'Luma2solator' (2004)Bild: PIPS:lab, 2004

Die Jugendlichen sind, das betont die Schau, nicht bloß Opfer der Konsumwelt. Sie gestalten sie auch. Das Ad-Busting, also die kreative Veränderung von Firmenlogos oder -sprüchen auf T-Shirts, ist ein Beispiel: Aus "Jägermeister" wird "Housemeister", aus "Snickers" wird "Suckers", und aus "T-Mobile" wird "T-Error", ein Gag, der bis vor die Gerichte führte.

Die Ausstellung in Karlsruhe untersucht die Jugendkultur aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. Es gibt sechs Abteilungen in der Schau, die als Architektur eine riesige Skater-Halfpipe hat. "Körper", "Sprache", "Raum", "Zeit", "Geschlecht" und "Gewalt" heißen diese Bereiche, in denen Videos und Objekte zu sehen sind.

Jeans und Skateboards als Antwort

Welche Sprachen haben Jugendliche heute? Wie konstruieren sie eine Identität? Oder ein "Profil", wie es ja heute weniger festlegend heißt? Welche Bedeutung hat Kleidung? Welche Rolle haben Computerspiele und Interneträume? Welche Rolle spielt Gewalt im TV bei Jugendlichen? Die Fragen sind endlos. Die Antworten auch. Die Karlsruher Schau versucht, die Jugendlichen und ihre Objekte selbst zu Wort kommen zu lassen, anstatt Studien und Statistiken zu zitieren. Man sieht also Unmengen von Jeans, T-Shirts, Unterwäsche und Caps, man bestaunt getunte Skateboards und Turnschuhe sowie die dunklen Accessoires der Gothic-Kleidung. Und man muss schon ein Kenner sein, um hier zu durchzublicken.

Trendgemäß gibt es auf der Internetseite der Ausstellung noch mehr zu sehen: Dort präsentieren Schüler und Studenten ihre Arbeiten zum Thema Jugendkultur - Fotos, Gemälde, Interviews und kurze Filme.

Andreas Gursky
Andreas Gursky: 'Union Rave' (1995)Bild: Andreas Gursky

Die Jugendlichen sind die Trendsetter der Gesellschaft. Im Bereich der Medien sind sie die User-Avantgarde. Keiner geht besser und innovativer mit den neuen Medien um als sie - Subversion eingeschlossen. Für viele Jugendliche ist es nicht nur ein Spaß, Spielecodes und Firewalls zu hacken, sondern sie konstruieren sich darüber auch eine Identität. Spielen bildet, das sagte schon die Antike...

Coolhunters. Städtische Galerie Karlsruhe, bis 3. Juli 2005. Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa-So 11-18 Uhr