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Junge Stadt an altem Ort

Robert Habermann15. März 2002

Bremerhaven ist nicht der Hafen von Bremen sondern eine eigene Stadt mit einer internationalen Geschichte.

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Der Hafen von Bremerhaven

Marodierende Soldatenhaufen wälzten sich auf der alten Heerstraße durch die Moore und Flussniederungen von der Nordseeküste nach Bremen oder - je nach Kriegsglück - zurück. So konnten sie bereits im Mittelalter dort, wo heute Bremerhaven liegt, die Flecken Geestendorf und Wulsdorf ein wenig ausplündern und gegebenenfalls brandschatzen.

Was des einen Paradies, ist des anderen Hölle - und so blieb auf diese Weise der Wohlstand der Menschen vor Ort in sehr engen Grenzen und ihre Ansiedlungen lange Zeit im dörflichen Rahmen.

Alte Schweden auf Kurzbesuch

Zuerst erkannten die alten Schweden die strategisch bedeutsame Lage an den Flussmündungen der Geeste in die Weser und später der Weser in die Nordsee. Wer den Ort für sich beanspruchen wollte, der musste schon ein dickes Fell haben. Deswegen zogen die Skandinavier nach dem Dreißigjährigen Krieg hier zum Schutz der Mündungen dicke Mauern hoch und nannten den trotzigen Steinhaufen Carlsburg. Alt sind die Schweden in ihrer Festung jedoch nicht geworden, und so verfiel ihr Bollwerk.

Die letzte Stadt vor New York

Im 19. Jahrhundert flohen viele Menschen vor wirtschaftlichem Elend und politischer Verfolgung nach Amerika. Die Auswanderer strömten zu den Überseehäfen an den Küsten. Die Freie Hansestadt Bremen hatte seit 1827 dort, wo früher die Schweden herumlungerten, einen Hafen errichtet: Bremerhaven. Der Massenexodus nach Amerika bescherte Bremerhaven einen rasanten Aufschwung. Für viele Deutsche wurde Bremerhaven die "letzte Stadt vor New York".

Einst größter Fischereihafen Europas

Neben der Passagierschifffahrt gewann zunehmend der Schiffbau und der Handel überregionale Bedeutung. Dazu kam die Hochseefischerei. In Bremerhaven stand der größte Fischereihafen des europäischen Kontinents. Die Hälfte aller deutschen Fänge wurden hier angelandet. Doch nach und nach brach die deutsche Hochseefischerei zusammen.

Außerdem verdrängten Flugzeuge die großen Schiffe aus dem transatlantischen Passagierverkehr. Damit ging auch der Schiffbau rapide zurück; die gesamte Bremerhavener Wirtschaft lag am Boden. Das auch beschönigend als "Strukturwandel" bezeichnete Fiasko ist bis heute noch nicht zu Ende. Noch immer ist die Arbeitslosigkeit in Bremerhaven hoch: fast 20 Prozent.

Wer bringt den alten Kahn auf Kurs?

Vielleicht ist Bremerhaven auch deshalb eine eher spröde Schönheit. Mit der Einmaligkeit der geographischen Lage direkt am Meer können die pragmatischen Gebäude des Wiederaufbaus der 1950er und 1960er Jahre natürlich nicht konkurrieren. So setzt die Stadt auch vornehmlich auf "innere" Werte. Die wissenschaftliche Forschung im maritimen Bereich wird immer mehr zum Aushängeschild der Stadt an der Unterweser.

Dienstleistung, Forschung und Tourismus heißen die rettenden Inseln für das arg durch den Wind gebeutelte städtische Schiff.

Der ehemals dicke Pott Bremerhaven hat ordentlich abspecken müssen und wäre beinahe auf Grund gelaufen. Langsam stampfen die kommunalen Diesel wieder kräftiger, und schon macht die "letzte Stadt vor New York" erneut ordentlich Fahrt. Der alte Kahn ächzt und bebt noch etwas, aber der Ausguck sieht schon den Silberstreif am Horizont.