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Junges Georgien

Gesine Dornblüth27. August 2004

In vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind die alten Eliten noch an der Macht: Zumeist Männer, die zu Sowjetzeiten in Moskau Karriere gemacht haben. Eine Ausnahme ist Georgien - hier wagen junge Leute den Neuanfang.

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Georgiens Präsident Michail Saakaschwili ist erst 37 Jahre altBild: AP

Ex-Präsident Eduard Schewardnadse, einst Außenminister der Sowjetunion, wurde im vergangenen Herbst aus dem Amt gejagt. Nun regiert der 37-jährige Michail Saakaschwili das Land, und mit ihm ist eine ganze Riege junger Leute an die Macht gekommen.

Eine von ihnen ist Nino Kalandadze. Sie geht auf hohen Schuhen über den Flur des Parlamentsgebäudes in Tiflis. Sie ist auf dem Weg zum Sitzungssaal. Dort tagt gerade der Rechtsausschuss, und Nino Kalandadze ist - mit 27 Jahren - dessen stellvertretende Vorsitzende. Seit den Wahlen im Januar hat Georgien eines der jüngsten Parlamente in Europa. Nino Kalandadze hat in Deutschland Abitur gemacht und Jura studiert, um dann nach Georgien zurückzukehren und beim Aufbau der Demokratie zu helfen.

Reformen, Reformen, Reformen

Nino Kalandadze
Einsatz für ihr Land: Nino Kalandadze

In einem Sitzungssaal sitzen acht junge Leute an einem langen Tisch, in Anzughosen oder Jeans. Die Sakkos haben sie über die Stuhllehnen gehängt. Gerade beraten sie den Entwurf für ein neues, liberales Pressegesetz. Nino Kalandadze will vor allem das Rechtswesens reformieren. Denn bisher gab es in Georgien fast nur korrupte Richter. Die juristische Ausbildung, sagt sie, würde sie komplett ändern: "Ich werde vorschlagen, das Ausbildungsgesetz neu zu schreiben. Die juristische Fakultät ist hier nur auf theoretisches Wissen konzentriert, und das ist nicht, wie in Deutschland, dass man anhand von Fällen arbeitet. Hier ist man, wenn man fertig ist mit dem Studium, praktisch nur Theoretiker und man kann mit richtigen Fällen gar nicht umgehen."

Während bis vor einem Jahr alte Verbindungen, vor allem zur Familie von Ex-Präsident Eduard Schewardnadse zählten, kommt es nun auf Reformwillen und gute Beziehungen zur neuen Führungselite an. Nino Kalandadze hat, bevor sie sich zur Wahl stellte, als Rechtsanwältin in der "Nationalen Bewegung", der Partei von Präsident Saakaschwili, gearbeitet.

Hier finden Sie weitere Informationen zu Georgien

Die "Nationale Bewegung" hat eine große Mehrheit im Parlament. Dementsprechend einfach sollte es sein, Reformen schnell durchzusetzen. Doch die Partei stößt noch immer auf den Widerstand alter Seilschaften, berichtet Nino Kalandadze: "Gerade, was die Ausbildung betrifft, da haben wir immer noch mit der Universität zu kämpfen, und mit den Professoren, die doch etwas veraltete Ansichten haben, und die einfach nicht mit der Zeit gehen wollen. Wenn wir ein Gesetz verabschieden, dann wird sich die Fakultät damit abfinden müssen."

Das höre sich radikal an, aber, sagt die junge Abgeordnete, sie sei durchaus kompromissbereit und gern bereit, von den Älteren zu lernen: "Arbeitswege und Alltag sind neu für uns. Es ist einfacher, wenn es jemanden gibt, der bereits Fehler gemacht hat, die ich vielleicht nicht mehr machen muss und die ich vermeiden kann." Ihr Kollege Levan Dutschidze sieht das anders. Der 26-Jährige sitzt mit einem Cappuccino im Foyer eines Kinos, das direkt gegenüber dem Parlament in Tiflis neu eröffnet hat. Er trägt einen grauen Anzug. Die Krawatte sitzt ein wenig sperrig am Hals. "Erfahrungen, die man in Georgien hätte sammeln können, waren vor allem negative Erfahrungen. Dass wir von diesen Erfahrungen frei sind, ist eher unser Vorteil als Nachteil. Da bin ich tief überzeugt", sagt er.

Studium in Deutschland

Levan Dutschidze arbeitet seit seiner Wahl im Auswärtigen Ausschuss. Auch er hat in Deutschland studiert und war dann Referent in der deutschen Botschaft in Tiflis. Er habe sich schon immer für Politik interessiert, sagt Dutschidze: "Nach diesen sehr schnellen und tiefen Änderungen, hatten wir das Gefühl, dass wir jetzt dran sind. Die, die etwas für die Revolution gemacht haben, die etwas aktiver gewesen sind, sollten die Entscheidungen treffen und dabei sein."

"Ich will mithelfen, Georgien fit für die Europäische Union zu machen", sagt Levan Dutschidze. Bis es soweit ist, kann es allerdings noch einige Jahre dauern. Die Abgeordnete Nino Kalandadze sagt, der Druck sein unheimlich hoch, aber: "Wir müssen uns klar machen, dass wir so schnell nichts ändern können. Dass wirklich der Einzelne die Fortschritte und Verbesserung spürt, ist schwierig. Das wird dauern, wir fangen gerade an! Und ich hoffe, dass wir die Wähler nicht enttäuschen."