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Häftlinge auf der Bühne

25. März 2009

Wie sieht der Alltag jugendlicher Straftäter im Gefängnis aus? Das können am besten die Jugendlichen selbst erzählen. Das Theaterprojekt "Pop Shop" in Dresden lässt sie zu Wort kommen.

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Auf einer Bühne sitzen zwei Männer und eine Frau zwischen Wänden in ihren Zellen (Foto: HL Böhme)
Das Theaterstück "Pop Shop" basiert auf realen ErlebnissenBild: HL Böhme

"Das Zellenabschließen hören wir nicht gern, das ist dann doch so ein Schlag auf den Kopf: Hey, du bist im Knast", erzählt Steve Bethke über den Alltag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zeithain. Bei seiner ersten Woche in Haft war er 16 Jahre alt. "Die Zelle ging zu und ich bin ans Fenster gegangen und konnte nicht rausgucken, weil da ein Gitter war. Und dann hast du gedacht: Jetzt bist du wirklich für dich ganz allein hier und da habe ich angefangen zu heulen."

Ein Blick hinter die Gitter

Solche und ähnliche Sätze kommen mit dem Theaterstück "Pop Shop" in Dresden auf die Bühne. Die Dramaturgin Nina Steinhilber und die Regisseurin Jenny Flügge haben das Projekt inszeniert. Sie beschäftigten sich mit der Frage, was es für Jugendliche bedeutet, hinter Gittern zu leben. Was tun sie und woran denken sie, wenn sich die Zellentür hinter ihnen schließt?

Antworten fanden sie in Interviews mit jugendlichen Straftätern: Zum einen aus dem Buch "Pop Shop", für das drei Autoren mit Gefangenen aus der JVA Köln-Ossendorf gesprochen haben. Zum anderen trafen Steinhilber und Flügge selbst junge Gefangene in der JVA Zeithain. Die Berichte seien manchmal unfassbar ehrlich, sagt Nina Steinhilber über die Gespräche. "Und natürlich gibt es dann diese Stellen, die einen wahnsinnig berühren und dann Sachen, die einfach auch witzig sind." Aus diesen authentischen Lebensberichten erarbeiteten sie schließlich ein Bühnenstück für drei Schauspieler.

Vom Buch auf die Bühne

Im Halbdunkel sitzen die Schauspieler in ihren 'Zellen' auf der Bühne (Foto: HL Böhme)
Das Leben im Knast auf der BühneBild: HL Böhme

Meterhohe Wände teilen die Bühne in enge Zellen, darin lümmeln die Schauspieler - zwei Männer und eine Frau - und berichten über ihr Leben im Knast, über die Langeweile, die Einsamkeit und wie sie sich über ihren ersten Brief gefreut haben.

Jörg Hauenstein ist einer der drei Autoren, die die Interviews mit den Jugendlichen in der JVA Köln-Ossendorf geführt haben. Sie hätten sich vorher viele Gedanken gemacht, ob es funktionieren könne, diese Jugendlichen von erwachsenen Schauspielern spielen zu lassen. "Ich bin tief beeindruckt von der Arbeit, weil die Gefühlsausbrüche und die ganze Art und Weise, wie die Jugendlichen sich mit ihren Verletzlichkeiten und mit ihren Problemen gezeigt haben, sehr gut umgesetzt wurden", sagt Hauenstein über das Stück.

"Pop Shop" als Chance

Zwischen einzelnen Szenen werden immer wieder kurze Filmsequenzen eingespielt, die den Alltag in der JVA Zeithain zeigen. "Irgendwann hat man dann so einen Trott, steht früh auf, geht abends ins Bett, macht alles geregelt und das beruhigt einen auch selbst. Anfangs war es bedrückend, aber mit der Zeit ist es angenehm", erzählt der Gefangene Nico Donner in einer Filmsequenz, die Steinhilber und Flügge gedreht haben.

Die Menschen seien ihnen im Laufe des Projektes zwar näher gekommen, sagt Nina Steinhilber, aber die Distanz bleibe dennoch gewahrt. Dafür sorgen auch die Jugendlichen selbst mit ihren Erfahrungsberichten, indem sie frei von jeglichem Selbstmitleid ihre Situation beschreiben und die Zuschauer auf den Boden der Tatsachen zurückholen. "Das ist auch für das Publikum eine große Chance, sich in dieser Diskussion um Jugendliche, Jugendkriminalität oder jugendliche Straftäter vielleicht anders zu verhalten, indem man einmal wirklich dahinter schaut", sagt Steinhilber.

Autorin: Grit Krause

Redaktion: Julia Kuckelkorn/wl