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Blutiger Kampf

14. Juni 2009

Es wirkt brutal, blutig und voller Gewalt: Freefighting. Bei dem Sport prügeln die Kämpfer ohne Schutzkleidung in einem Stahlkäfig aufeinander ein. Am Samstag war in Köln die Deutschland-Premiere.

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Free-Fight-Training (Foto: ako)
Beim Freefight-Training wird für den Ernstfall im Ring geübtBild: DW

Es knallt. Ein Schrei. Es knallt wieder. Christoph wärmt sich auf. In einem Kampfclub in der Kölner Nordstadt hat sich der leidenschaftliche Freefighter einen Sandsack vorgenommen. Immer wieder bearbeitet er das schwere Gerät mit harten Tritten. Nebenan liegen zwei Männer bereits am Boden, ineinander verschlungen, wild raufend.

Trainer Björn Langström (Foto: ako)
Trainer Björn LangströmBild: DW

Was für den Laien wirkt wie eine besessene Schlägerei auf Turnmatten, hat System. Die Männer machen Freefighting, auch "Ultimate Fighting" oder "MMA" genannt. "Das ist eigentlich ein Zwischending aus Schlagsportarten wie Boxen und Elementen aus den ringerischen Kampfsportdisziplinen", erklärt Trainer Björn Langström. "Es geht ganz viel um Technik, darum, den Gegner mit gezielten Würgegriffen oder Gelenkhebel zur Aufgabe zu zwingen."

Der gebürtige Norweger ist alles andere als ein Kampfprotz mit Muskelpaketen. Eigentlich sieht er aus wie ein freundlicher Turnlehrer. Ihm geht es bei dem Sport nicht um bloße Prügelei. "Ich will meinem Gegner nicht wehtun", sagt er. "Bei den Kämpfen, die ich bisher gewonnen habe, hatte der Gegner nie etwas. Er musste aufgeben, weil ich ihn mit einem gezielten Griff bewegungsunfähig gemacht habe."

Antippen heißt Kampfende

Zwei Kämpfer (Foto: ako)
Wenn sich der Gegner nicht mehr bewegen kann, klopft er abBild: DW

In der Fachsprache heißt das "abklopfen": Der Unterlegene tippt den Gegner mehrmals kurz an - und signalisiert damit das Ende des Kampfes. Pegmann hat das gerade gemacht. Der junge Türke liegt auf dem Boden, schweißüberströmt. Ein Hebelgriff seines Gegners hat ihn außer Gefecht gesetzt. Pegmann hat gerade sein Abitur gemacht. Seit er 17 ist, macht er Freefighting. "Meine Eltern sind eigentlich dagegen", sagt er achselzuckend. "Aber sie lassen es mich machen. Schließlich habe ich mich hier noch nie wirklich schlimm verletzt."

Dem stimmt Trainer Björn zu: "Jedes Wochenende werden in Deutschland jede Menge Menisken reißen, Schienbeine oder Wadenbeine brechen - das kommt in jeder Sportart vor." Auch Kampfschüler Hassan ist das Verletzungsrisiko egal. Dafür gefällt ihm das Training einfach zu gut. "Man muss sich voll konzentrieren", sagt er. "Und am Ende des Trainings ist das ein wirklich schönes Gefühl: Man ist völlig ausgepowert!"

Der innere Schweinehund

Christoph (Foto: ako)
Für Christoph ist Freefighting sein LebenBild: DW

Neben ihm kämpft Christoph. Er ist der Profi unter den Freefightern. Seit neun Jahren tut er nichts anderes mehr, trainiert fünf Mal die Woche, steigt auch bei Wettkämpfen in den Ring. "Ich bin gepackt von dem Sport", sagt er. "Denn primär kämpft man da gegen sich selbst. Gegen seinen eigenen Schweinehund, gegen sein eigenes faules Verhalten." Er habe durch das Training Disziplin gelernt, erzählt Christoph. Und die helfe ihm auch im Berufsleben. "Man muss bei den Kämpfen gewinnen wollen - und das ist im Leben auch so", sagt er. "Freefighting ist für mich eine Art Selbsterfahrung."

Respekt lernen

Trainer Björn Langström zeigt einen Free-Fight-Griff (Foto: ako)
Trainer Björn Langström zeigt einen Free-Fight-GriffBild: DW

Das ist auch Trainer Björn wichtig: Seine Schüler lernen Disziplin, Respekt und Selbstvertrauen. Und wer sich bei ihm unter Aufsicht prügelt, schlägt nachher auf der Straße keinen mehr zusammen, sagt er. Besonders in sozialen Brennpunkten kommt Freefighting deswegen gut an: Die Jugendlichen hängen nicht mehr auf der Straße herum, lernen, sich unterzuordnen und Teamgeist zu entwickeln. "Dann ist es plötzlich nicht mehr wichtig, auf der Straße oder im Jugendzentrum der starke Typ zu sein", erzählt Björn aus seinen Erfahrungen. "Die Jugendlichen stecken sich dann echte Ziele."

Thomas Nalbach gehört die Kampfschule, in der die Männer Freefighting trainieren. Für ihn ist dieser Sport neu, und ein bisschen skeptisch ist er schon, Freefighting auch als Jugendsport anzubieten. Schließlich hat er selbst drei Kinder. "Die Vorstellung, dass meine Töchter oder mein Sohn Freefighting machen, behagt mir nicht", sagt er. "Da bin ich mir doch eher unsicher."

Blutige Angelegenheit

Zwei Kämpfer (Foto: ako)
Beim Training fließt noch kein Blut. Im Ring sieht das anders aus...Bild: DW

Als am Samstag (13.06.2009) in Köln die Profis gegeneinander antraten, war das für die Männer aus dem Kampfclub wie der Besuch eines Fußballspiels. "Da tritt die Königklasse gegeneinander an", schwärmt Pegmann. Blutig wird es eigentlich immer, denn in den Regeln sind beispielsweise Ellenbogenschläge erlaubt. "Das mag ich nicht so", sagt Trainer Björn. "Die Kämpfe werden dadurch nur unschön."

Dennoch: Die Männer sind überzeugt, dass ihr Sport nichts zu tun hat mit brutalem Blutvergießen vor sensationsgeilem Publikum. Eine gebrochene Nase, einen angeknacksten Fuß oder den ein oder anderen Kapselriss nimmt aber auch Christoph für seine Leidenschaft in Kauf. Björn hat sich einmal den Hals gebrochen beim Ringkampf. Sicher - ein bisschen Gewalt gehört zum Freefighting dazu, räumt der Trainer ein. Er zeigt gerade, aus welchen drei Positionen man seinem Gegner den Arm brechen könnte. Aber das ist natürlich reine Theorie.

Autorin: Anna Kuhn-Osius

Redaktion: Elena Singer