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"Die Deutschtürken wissen Erdogans Interesse an ihnen sehr zu schätzen"

Anja Fähnle23. Mai 2014

Die Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Samstag in Köln sorgt für viel Diskussionsstoff. Für Erdogan sind die Deutschtürken sehr wichtig, meint der Journalist Gunnar Köhne.

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Gunnar Köhne, Journalist in Istanbul, Foto von Gunnar Köhne
Bild: Gunnar Köhne

DW: Welche Verbindungen hat Erdogans Partei, die AKP nach Deutschland?

Gunnar Köhne: Die AKP hat seit ihrer Gründung eine enge Verbindungen in die Bundesrepublik. Vor allen Dingen über die islamisch nationalistische Bewegung Millî Görüş. Viele Politiker, die jetzt in der AKP eine wichtige Rolle spielen, stammen aus dieser Bewegung und die war in Deutschland schon immer sehr stark. Aus dieser Bewegung ist in der Vergangenheit sehr viel finanzielle Unterstützung für den Wahlkampf von Erdogan gekommen.

Seit 2010 gibt es das "Präsidium für Auslandstürken" (YTB). Welche Aufgabe hat dieses Präsidium?

Erdogan hat die Bedeutung der Auslandstürken immer hervorgehoben. Seiner Meinung nach ist auf deren Belange und Sorgen in der türkischen Politik viel zu wenig Rücksicht genommen worden. Und das wollte er ändern. Immer wieder hat er bei den verschiedensten Gelegenheiten zu seinen türkischen Landsleuten in Deutschland gesprochen und zum Thema Integration Stellung bezogen, ganz anders als seine Vorgänger, die daran wenig Interesse hatten. Vor diesem Hintergrund hat er das Präsidium ins Leben gerufen. Mit dessen Hilfe wollte er sich besser um seine Landsleute im Ausland kümmern und auch beobachten, wie es ihnen geht. Sein Fernziel ist dann aber auch sehr schnell klar geworden: er wollte ihnen das Wahlrecht geben und das hat er schließlich auch durchgesetzt.

Wieso hat Erdogan so ein großes Interesse an den türkischstämmigen Mitbürgern in Deutschland?

Momentan hat das vor allen Dingen wahltaktische Gründe. In der Bundesrepublik sind mehr als eine Million Menschen dazu berechtigt, bei der türkischen Präsidentenwahl im August ihre Stimme abzugeben - das ist eine enorme Zahl. In der Türkei haben schon oft ein paar Millionen Stimmen mehr oder weniger Wahlen entschieden. Dass Erdogan so ein großes Interesse an ihnen hat, wissen viele Deutschtürken sehr zu schätzen und sind ihm dankbar. Von anderen Politikern in der Türkei, haben sie sich oft allein gelassen gefühlt. Erdogan hingegen hat sich in in Deutschland in wichtige Themen wie Rechtsradikalismus, Rassismus oder den Doppelpass eingemischt. Bei der Präsidentenwahl im August wird er diese Ernte sicherlich einfahren können.

Welche Art von Rede wird Erdogan in Köln halten?

Er wird keine laute Wahlkampfrede halten, sondern wird sich zurückhalten. Die Kritik an seinem Umgang mit dem Grubenunglück von Soma war und ist groß und hat ihn getroffen. Außerdem ist er bisher noch überhaupt kein offizieller Kandidat für die Präsidentenwahlen im August, insofern kann er gar keinen Wahlkampf betreiben. Zudem werden die Kandidaturen offiziell erst Mitte, Ende Juni bekannt gegeben. Sicherlich will er gute Stimmung unter den Türken in Köln machen und seinen guten Ruf wiederherstellen. Wenn der Wahlkampf anfängt, wird er bestimmt nochmal wiederkommen und richtig Wahlkampf machen. Dieses Mal wird sich Erdogan in Köln auch mit Rücksicht auf die deutsch-türkischen Beziehungen, die ihm sehr wichtig sind, zurückhalten.

Gunnar Köhne ist freier Journalist und lebt in Istanbul.

Das Interview führte Anja Fähnle.