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Politik

Dirk Bathe16. Februar 2009

Im Schatten des Kalten Krieges plünderte er sein riesiges Reich und schaffte Milliarden ins Ausland. Doch als Rebellen ihn schließlich vom Thron stießen war er nur noch ein krebskranker Flüchtling ohne Freunde.

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Mobutu Sese SekoBild: AP

Gbadolite im Mai 1997. Das 50.000-Einwohner-Städtchen erlebt einen für die Jahreszeit typischen, heiß-feuchten Tag. Ganz untypisch ist die hektische Betriebsamkeit in der größten Villa des Ortes. Hinter hohen Mauern, abgeschirmt mit Stacheldraht, Kameras und Wachhunden lässt ein Mann seine Koffer packen, der einmal der mächtigste unter den Politikern Afrikas war: Mobutu Sese Seko.

Ziellose Flucht eines Ausgestoßenen

Kongo Flughafen Kinshasa
N'djili International Airport - von hier soll Mobutu geflüchtet seinBild: AP

Tagelang irrt der gestürzte Diktator in seinem Privatjet zwischen Europa und Afrika hin und her. Niemand will den schwer krebskranken Mann aufnehmen, nicht einmal die Schweiz, wo er in dem Bergdorf Savigny eine Villa unterhält. Schließlich erbarmt sich Marokko, das nordafrikanische Land gewährt im Asyl und vier Monate später stirbt er dort – nur noch umgeben von seiner Familie.

In einem beispiellosen Siegeszug hatten Rebellen unter ihrem Chef Laurent Desire Kabila den Kongo vom Osten her erobert. Die demotivierte, schlecht bezahlte Regierungsarmee leistete kaum Widerstand, die Bevölkerung erlebte die Rebellenarmee zunächst als Befreier. Anfang 1997 erobern Kabilas Männer die Hauptstadt und reißen die Macht an sich. Die Anhänger Mobutus, die Armeeführung und die Regierungsmitglieder fliehen. Sie lassen ein traumatisiertes, ausgeplündertes Land zurück, das nie eine echte Chance zur Entwicklung hatte.

Entlassung in die Freiheit

Patrice Lumumba
Verhaftet von Mobutus Männern - Expremier Patrice LumumbaBild: AP

Die heutige Demokratische Republik Kongo hieß von 1971 bis 1997 Zaire und hatte zwei Vorläuferstaaten während der Kolonialzeit: Der Kongo-Freistaat und Belgisch-Kongo. Der Freisaat war von 1885 bis 1908 Privatbesitz des belgischen Königs und Schauplatz massivster Ausplünderung der Bodenschätze und der Kautschukvorkommen durch den Kolonialherren. Historiker schätzen die Zahl der einheimischen Toten durch Übergriffe und miserable Lebensumstände auf etwa 10 Millionen – ein Drittel der damaligen Einwohnerzahl. Auf internationalen Druck hin übergab der belgische König Leopold „seinen Besitz“ schließlich an den belgischen Staat – doch die Ausplünderung des Landes ging nahtlos, wenn auch weniger gewalttätig weiter.

Überstürzter Schritt in die Unabhängigkeit

Mobutu mit Helmut Kohl
Hatte als antisowjetischer Afrikaner viele Freunde im Westen. Hier mit Helmut KohlBild: AP

1960 ist das Gastspiel Belgiens im Kongo beendet. Völlig überstürzt und ohne echte Vorbereitung wird der Kongo in die Unabhängigkeit entlassen. Im Mai des Jahres wählen die Kongolesen Patrice Lumumba zum Ministerpräsidenten, Joseph Kasavubu wird Präsident. Es sollten die letzten freien Wahlen für die nächsten Jahrzehnte bleiben. Die Regierung ist uneins. Der charismatische Lumumba strebt einen nationalistisch-sozialistischen Kurs an. Die Westmächte werden misstrauisch – zu viele afrikanische Länder waren schon in den Einflussbereich der Sowjetunion geraten. Noch im September des Jahres putschte die Armee und stürzte und ermordete Ministerpräsident Lumumba. Der Armee-Chef: ein bis dahin international unbekannter Oberst namens Joseph Mobutu.

Der willige Putschist lässt Präsident Kasavubu zunächst an der Macht, der Anschein von Demokratie soll nach der Ermordung Lumumbas aufrechterhalten werden. Doch im Herbst 1965 übernimmt Mobutu schließlich selbst die Macht – er sollte sie bis 1997 nicht mehr aus den Händen geben.

Figur im Spiel der Mächte

Zaires Staatspräsident Sese Seko Mobutu
Er schaffte in 32 Jahren angeblich 4 Milliarden Dollar ins AuslandBild: dpa

Was Mobutu in den Augen de Westens so wertvoll, so unbedingt unterstützenswert machte war seine politische Haltung im Ost-West-Konflikt. US-Präsident Ronald Reagan verstieg sich gar zu der Aussage, Mobutu sein Freiheitskämpfer, ein Mann mit wachem Verstand und gutem Willen. Und das zu einer Zeit als Mobutus Unfähigkeit nur noch vom Ausmaß seiner Bereicherung und Gewalttätgkeit überstiegen wurde.

 

Umbau zu einem zentralistischen Machtstaat

 

Schon bald nach der Machtergreifung bildet Mobutu den Kongo um zu einem zentralistisch geführten Staat. Die Institutionen des Landes werden zu ausführenden Organen seiner Partei Mouvement Populaire de la Revolution (MPR). Die Politik wird personalisiert, die Staatsführung ist absolutistisch. Anfangs ist Mobutu unter den Kongolesen beliebt: Er sorgt nach Jahren der Unruhen für Stabilität und er verfügt über ein hervorragendes Netz von Kontakten. Mobutu beginnt mit der „Authenticitè“seiner „Afrikanisierung“ des Kongo, er benennt das Land in Zaire und sich selbst in „Mobutu Sese Seko Kuku Ngebendu wa za Banga“ um. Die Übersetzung des Namens ist nicht geklärt: Mal soll es für den „Hahn der jede Henne besteigt“ mal für „Der Krieger der von Eroberung zu Eroberung eilt“ stehen. Mobutu trägt von nun an eine Leopardenfellmütze – das einzige Kennzeichen von Beständigkeit während der kommenden Jahre.

Anfang der 70er afrikanisiert er die Wirtschaft, vertreibt ausländische Unternehmer aus dem Land, mit dem Ergebnis, dass die Wirtschaft eine steile Talfahrt erlebt. 1977 bittet er dann ausländische Unternehmen wieder, im Kongo zu investieren. Den Westen interessiert in dieser Phase nur, dass die Rohstoffe des Landes zu ihm fließen – Mobutu darf unterdessen den Kongo ungehemmt ausplündern. Mitte der 80er Jahre soll sein Vermögen über 4 Milliarden Dollar betragen haben. Transferiert auf ausländische Konten und der Höhe der Auslandsschulden des Kongo entsprechend.

Ausverkauf des geplünderten Staates

Mobutus Kleptokratie macht Schule: Bald versinkt das Land in Korruption und Diebstahl. Was sogar zu einer unfreiwilligen Abrüstung führt: 1994 verkaufen Mobutus Generäle heimlich die Mirage-Flugzeuge der kongolesischen Luftwaffe.
Mit dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch des Sowjetreiches verliert Mobutu seine Stellung als Liebling des Westens. Prompt reagiert er: 1990 ruft er ein Mehrparteiensystem für sein Land aus – und mehr als 200 Parteien bildeten sich tatsächlich. Einige davon soll Mobutu selbst gegründet haben. Er lädt zu einer Art Nationalkongress – und löst diesen wegen „Ethnischer Einseitigkeit“ umgehend wieder auf. Tatsächlich werden Oppositionelle so blutig verfolgt wie eh und je.

Letzte Versuche, die Macht zu erhalten

Brandenburger Tor beim Mauerfall am 09.11.1989
Der Fall der Mauer leitete das Ende Mobutus einBild: picture alliance/dpa

Doch die Unterdrückungsstrategie kann den Verfall wirtschaftlicher und politischer Macht nicht mehr stoppen. Als Mobutu die zunehmende Unzufriedenheit mit dem bewährten Anheizen ethnischer Konflikte umleiten will wird das zum Zündfunken der Revolte. Er drohte den Banyamulenge, einem ehemals aus Ruanda stammenden Volk im Osten des Kongos, mit dem Entzug der Staatsangehörigkeit. Die Situation im Osten ist zudem noch belastet durch die Flüchtlingsströme von Hutu und Tutsi aus dem benachbarten Ruanda. Die mit den Banyamulenge verwandten Tutsi aus Ruanda ergreifen die Chance, ihren Einfluss im Kongo zu sichern und zugleich Jagd auf die flüchtigen Hutu zu machen. Sie unterstützen eine Rebellengruppe unter ihrem Chef Laurent Kabila. Acht Monate später lässt Mobutu seine Koffer packen.

Mobutus Geld in der Schweiz

Schweiz Banken USA Hypothekenkrise Logo von UBS Bank Wolken
Mobutus Millionen liegen noch immer in der SchweizBild: picture-alliance/ dpa

Doch auch wenn der Herrscher des Kongo seit 12 Jahren tot ist – sein Geist spukt noch weiter. Seine Villa im Bergdorf Savigny hatten die Schweizer Behörden direkt nach seinem Sturz beschlagnahmt und versteigert. Der Erlös und andere Guthaben Mobutus von etwa acht Millionen Schweizer Franken liegen seitdem auf einem Sperrkonto. Mehrfach hatte die Schweizer Regierung den jetzigen kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila aufgefordert, das Geld doch bitte schön endlich abzurufen. Erst Mitte Januar reagiert die kongolesische Regierung und strengt ein entsprechendes Verfahren an. Doch sollte das Verfahren scheitern, können sich Mobutus Erben noch über einen unerwarteten und warmen Geldregen freuen.