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Politik

"Künstlicher Krieg" im Kongo

Martina Schwikowski
6. Februar 2017

Für Kongos Präsidenten Joseph Kabila sind die zunehmenden Angriffe von Milizen eine willkommene Gelegenheit, die politische Demokratisierung zu verzögern. Das aktuelle Chaos hat die Regierung mit herbeigeführt.

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Symbolbild - Kongo - Rebellen
Bild: Getty Images

Eigentlich hat Kongos Regierung den Übergang zu den für 2018 geplanten Wahlen zu regeln. Doch nun drohen neue Übergriffe der Rebellengruppe M23, den ohnehin schwierigen Demokratisierungsprozess weiter ins Stocken zu bringen. In einem Brief an den UN-Sicherheitsrat berichtete Kongos UN-Botschafter Ignace Gata Mavita jüngst von Zusammenstößen in der Provinz Nordkivu. "Diese Situation könnte die ganze Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nehmen. Die Regierung müsste vorhandene finanzielle Mittel in diesen Krieg stecken", schreibt Gata Mavika.

In den Jahren 2012 bis 2013 war die M23 die mächtigste Rebellenbewegung im Kongo und beherrschte zeitweise große Landstriche in der Provinz Nordkivu. Nach ihrer Niederlage gegen Regierungstruppen und UN-Spezialeinheiten hatten sich die verbleibenden Kämpfer in die Nachbarländer Uganda und Ruanda geflüchtet, wo sie in Militärlagern Zuflucht fanden. Vergangenen Freitag gab das ugandische Militär zu, die Spur von einigen Dutzend M23-Kämpfern verloren zu haben, darunter auch Rebellenführer Sultani Makenga. Laut Aussagen der kongolesischen Streitkräfte haben zurückgekehrte Rebellen nördlich der Stadt Goma ein Lager errichtet. Nach dem Absturz von zwei Militärhubschraubern in dem Gebiet nahmen die Rebellen die Besatzungen als Geiseln. Bei den Kämpfen zu deren Befreiung kamen vier Rebellen und drei Besatzungsmitglieder ums Leben, hatte das Militär mitgeteilt. 

Kongo M23 Rebellen M23-Kommandant Sultani Makenga
Sultani Makenga und seine Rebellen wurden 2013 aus dem Kongo vertrieben. Einige von ihnen sind nun zurück.Bild: MICHELE SIBILONI/AFP/Getty Images

Demokratie verhindern

Manche Beobachter sehen in den erneuten Kämpfen ein Muster, das immer dann auftritt, wenn die Regierung in der Hauptstadt Kinshasa geschwächt ist. "Die Rebellenbewegung M23 ist keine Gruppe, die mit eigenen Willen kämpft", sagt Kongolese Denis Kadima, Direktor des "Electoral Institute for Sustainable Democracy in Africa" (EISA) in Johannesburg. Für ihn war diese Entwicklung programmiert: "Wenn die Regierung an Boden verliert, lässt sie bewusst das Chaos im Osten zu, um die Verzögerungen im politischen Prozess zu rechtfertigen." Laut Kadima gibt es auch wenig Zweifel, dass die Rebellen und die Machthaber in Kinshasa die gleiche Strategie verfolgen: "Das sind Ablenkungsmanöver, die sich immer dann beobachten lassen, wenn es darum geht, Fortschritte in der Demokratie durchzusetzen."

Eine Rückkehr zu früherer Stärke ist indes nicht zu erwarten. Die Gruppe sei nicht mehr so stark wie in den ersten Jahren ihres Bestehens, sagt Gesine Ames, Koordinatorin des Ökumenischen Netzes Zentralafrika: "Es sind lediglich einzelne Fraktionen, die für  mehr Destabilisierung im Osten sorgen." Diese würden sich leicht instrumentalisieren lassen, denn es seien meistens Kämpfer in desolater Lage, die im Norden Ugandas mit ihren Familien sozusagen "stillgehalten" würden. Um zu überleben, griffen sie zur Waffe. Das Kernproblem sei aber, dass lokale Milizen im ganzen Land an Stärke gewönnen. "Kabilas Regierung trägt die Mitschuld an der Eskalation von Gewalt - ob gewollt oder ungewollt."

DR Kongo Nord Kivu Provinz
Seine Sicherheitskräfte führte Kabila oft gegen Demonstranten ins Feld. Doch die militärischen Konflikte bleiben ungelöst.Bild: Getty Images/AFP/M. Mulopwe

Strategischer Stillstand

Kritiker werfen Präsident Kabila seit Langem vor, er tue nichts dafür, die Konfliktherde im Kongo einzudämmen. Die kongolesische Armee ist zu schwach; die M23 konnte sie 2013 nur mit Unterstützung der UN-Truppen besiegen. Doch Reformen bleiben aus. Auch in der Umsetzung des Friedensabkommens mit den Rebellen passiert nichts. Kabila schweigt dazu - und betont stattdessen, dass man aufgrund der fragilen Lage keine politischen Prozesse durchwinken könne.

Hierin scheint die Strategie des Präsidenten zu liegen, der sein letztes verfassungsmäßiges Mandat bereits vergangenen Dezember überschritten hat. Ein Abkommen in letzter Minute besiegelte dann am Silvesterabend eine Übergangszeit. Bis zu den Wahlen 2018 darf Kabila weitermachen - allerdings soll ihm ein Premierminister aus den Reihen der Opposition zur Seite gestellt werden. Der sollte längst feststehen. Doch noch immer sei die Vergabe der Posten in der Übergangsregierung völlig unklar, sagt Ames.

DR Kongo Präsident Kabila einigt sich mit Opposition
Das Abkommen vom Silvesterabend machte Hoffnung. Doch seine Umsetzung steht in weiter Ferne.Bild: Getty Images/AFP/J. D. Kannah

Kein Kompromiss in Sicht

Auch der Rat, der die politische Übergangszeit überwachen soll, konnte seine Arbeit noch nicht antreten. An dessen Spitze sollte der 84-jährige Oppositionsführer Etienne Tshisekedi stehen - doch er wurde Tage vor seiner Vereidigung nach Brüssel ausgeflogen und starb wenig später an einer Lungenembolie. Damit hat die gespaltene Opposition die Symbolfigur verloren, die sie nun dringend bräuchte. "Es wird sehr schwer für einen anderen Anführer, die Leute zu beruhigen, um neue Gewalt zu verhindern", sagt Kadima vom südafrikanischen EISA-Institut. "Es gibt einen künstlichen Krieg, Gewalt gegen die Kongolesen und ihren Willen für Demokratie."

Laut Ames hängt auch noch in der Schwebe, ob die katholische Bischofskonferenz im Kongo, die sich als neutraler Vermittler für das Abkommen stark gemacht hatte, die Gespräche weiterführt. Kabila und seine Regierung zeigten sich nicht kompromissbereit, seine Unterschrift fehle noch immer auf dem Silvesterabkommen, sagt sie. "Ein derartig unsicheres politisches Klima ist immer auch eine Basis für das Aufkommen von Milizgruppen, die für gewalttätige Übergriffe sorgen." Ames fordert, dass die deutsche Politik und die internationale Gemeinschaft den Verhandlungsprozess im Kongo "engmaschig verfolgen" und bei Bedarf vermittelnd eingreifen. Sie fürchte zwar keinen neuen Bürgerkrieg. "Aber der Flächenbrand wird größer."