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Kabelsalat?

23. November 2001

Die Deutsche Telekom hat Zweidrittel ihres Kabelnetzes verkauft. Der neue Eigentümer John Malone ist einer der mächtigsten Medienmanager. Er will und wird das Fernsehen in Deutschland verändern.

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John Malone sorgt für Aufruhr in der deutschen Medienszene. Der 60-jährige Selfmade-Milliardär aus Colorado ist Chairman von Liberty Media, einer kleinen Firma im US-Bundesstaat Colorado mit nur 60 Mitarbeiter und einer enormen Macht. Die Firma hat sich auf Medienbeteiligungen spezialisiert: 4 Prozent an AOL Time Warner, 18 Prozent an Rupert Murdochs News Corporation, 43 Prozent am Einkaufskanal QVC, 49 Prozent am Dokumentationskanal Discovery Channel - Und das ist nur eine Auswahl aus einer Liste von mehr als 100 Medienbeteiligungen weltweit.

Der Plan

Liberty will groß ins deutsche Mediengeschäft einsteigen. Im September einigte sich der US-Konzern mit der deutschen Telekom auf die Übernahme von sechs der neun regionalen Kabelnetze – zu einem Preis von 5,5 Milliarden Euro. Malone würde damit 60 Prozent des deutschen Kabelnetzes kontrollieren.

Lange war es ein Gerücht, jetzt kam die Bestätigung vom Bundeskartellamt: Malone will beim Bezahlfernsehen Premiere World des deutschen Medien-Zars Leo Kirch einsteigen. Geplant ist die Übernahme des 22-prozentigen Anteils der News Corporation an Kirchs PayTV. Die liegen derzeit noch in den Händen des australischen Medienmoguls Rupert Murdoch, der allerdings nicht unglücklich darüber wäre, seine Anteile an Premiere los zu werden. Premiere ist 11 Jahre nach dem Sendestart noch immer ein Verlustgeschäft mit einem Defizit von jüngst 1,7 Milliarden Mark und einer viel zu geringen Zahl von Abonnenten.

Die Kirch-Gruppe zeigte sich erstaunt über den forschen Schritt der amerikanischen Kollegen. Eine Sprecherin erklärte, eine Kooperation oder Beteiligung könne nur unter Mitwirkung der Kirch-Gruppe erfolgen.

Die Taktik

Malone hat in Vorbereitung seines Big Deals eine Karawane durch die deutsche Medienszene gestartet: Gespräche mit Bundes- und Landespolitikern, Medienanstalten und Medienunternehmen standen auf der Tagesordnung. Liberty würde das deutsche Fernsehgeschäft auf eine völlig neue Basis stellen. Berlins Medienwächter Hans Hege forderte bereits mehr Aufmerksamkeit durch die Politik: "Was da jetzt passiert, ist nicht ohne. Die Fernsehkabel sind so wichtig wie die Deutsche Bahn." Zudem würde ein Unternehmen erstmals mit dem Kabel den Weg zum Fernsehkunden besitzen und gleichzeitig auch Inhalte anbieten. Ein solcher Plan ist in Deutschland aber nur durchzusetzen, wenn Wettbewerbsbehörden, die Politik und die großen Inhalteanbieter zustimmen.

Das große Bonbon: Liberty will zum Start seiner Deutschland-Aktivitäten Ende 2002 seinen zehn Millionen Kabelhaushalten Empfangsgeräte fürs digitale Fernsehen schenken. Das ist ein harter Schlag ins Gesicht der deutschen Kabelanbieter. Die haben sich nämlich gerade nach einem mühsam gefundenen Kompromiss auf einen neuen deutschen Standard für das digitale Fernsehen geeinigt. Doch Liberty verkündete selbstbewußt, die Multimedia Home Platform (MHP) sei viel zu teuer.

Die Reaktionen

Die Standortpolitiker hat Malone auf seiner Seite. Er hat angekündigt, in den kommenden fünf Jahren 10 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Jährlich sollen eine Milliarde Euro in die Modernisierung des Kabelnetzes in Deutschland fließen, um dem digitalen Fernsehen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Anzahl der Kabelkanäle soll verneunfacht werden und TV, Internet und Telefonie zu einer multimedialen Plattform verschmelzen. Die Maxime könnte lauten: Wer den Zugriff auf den Fernsehzuschauer von heute hat, kann aus ihm den Multimedia-Kunden der Zukunft machen, mit dem viele neue Geschäfte denkbar sind. Liberty soll für den Zuschauer der "Point of Contact" werden, Rundum-Service aus einer Hand. Das könnte beim deutschen Kunden auf rege Zustimmung stoßen.

Die Medienpolitiker sehen das schon anders: Bisher waren in Deutschland – anders als in den USA – die beiden Geschäftsfelder Content und Infrastruktur streng voneinander getrennt. Liberty könnte seinen eigenen Content bevorzugt vermarkten und den Zugang für andere Anbieter erschweren. Der Einstieg bei Kirch würde die wettbewerblich bedenkliche Kombination von Netz und Inhalt noch betonen. Leo Kirch besitzt die mit Abstand größte deutsche Filmbibliothek und attraktive Sportübertragungsrechte wie etwa die Fußball-Bundesliga.

Das Ziel

Die Zukunft des deutschen Kabel würde dann, stimmt das Bundeskartellamt dem Liberty-Plan zu, ungefähr so aussehen: TV-Programme werden in kleinen Paketen vermarktet – mit Zusatzangeboten und gegen höhere Preise. Es wird ein ganzes Angebotsspektrum geben, vom Einsteigermodell bis zur "internetfähigen Hochgeschwindigkeits-Multimediamaschine". Der Fachverband der Rundfunkempfangs- und Kabelanlagen rechnet mit doppelt so hohen Preisen wie heute. Malone hat seine Taktik in einem "Spiegel"-Interview wie folgt beschrieben: "Hat man die Plattform einmal im Haus, dann schwinden erst die psychologischen Hemmschwellen und dann die finanziellen." Kapitalismus pur – auch bei der Programmpolitik.

Neben der Grundversorgung können Special-Interest-Channels abonniert werden, die für eine analoge Ausstrahlung zu teuer wären, für eine Pay-TV-Plattform aber ausgesprochen geeignet sind. Der Kunde ist König, ist die Malone-Maxime. Im Kabel dürften zukünftig auch einige windige Anbieter zu finden sein.

"Wir haben zum Beispiel Pat Robertson unter Vertrag genommen, einen der Führer der religiösen Rechten in den USA. Wir nannten das Programm Family Channel, und wie sich schnell herausstellte, war es für 15 Prozent der amerikanischen Haushalte ... genau das Richtige. Wir gingen zur katholischen Kirche und lancierten Mutter Angelica und ihren Kanal ... Ich weiß nicht, woran die Deutschen besonders interessiert sind. Romantische Liebesgeschichten? Mystery? Was immer es ist, wir werden es ihnen bieten."

Nur rund ein Drittel der Kanäle muss, so will es der Rundfunkstaatsvertrag, für öffentlich-rechtliche und regionale Programme reserviert sein. Die Mehrzahl der Kabelplätze darf Malone mit Angeboten bestücken, die ihm ins Konzept passen.

Das Geschäft muss von den Kartellbehörden noch genehmigt werden. Der Medienkonzern Bertelsmann hat sich derweil beim Bundeskartellamt gegen die Pläne von Liberty Media ausgesprochen. Konkurrent Kirch droht damit, sich der Beschwerde anzuschließen. Kritisiert werden die Pläne von Liberty, eine eigene Mediabox und damit einen eigenen Standard fürs digitale Fernsehen durchsetzen zu wollen.

Bisher wurde das deutsche Kabelnetz von öffentlichen Medienanstalten kontrolliert. In Zukunft könnte ein Amerikaner aus Denver ein nicht unwesentliches Wort dabei mitreden. (kas)