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Kampf den Kreditkarten!

Patrick Tippelt, Bangkok30. Mai 2005

Auch wenn die Thais viel zu hoch verschuldet sind, ist kein Ende des Kreditwahns in Aussicht. Stattdessen feiert Plastikgeld einen Sieg nach dem anderen. Nun plant die Regierung, dagegen anzugehen.

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Im vorörtlichen Supermarkt, in den hippen Boutiquen der jungen Wilden auf dem Siam Square und in den Edelboutiquen der Luxusmalls gleicht Thailand in einem Sinn den USA. Jung und Alt, Reich und Arm brauchen immer länger, um an den Kassen Bangkoks eine ihrer zahlreichen Kreditkarten auszuwählen. Wer bar bezahlt, wird vom Kassenpersonal ein wenig schief, gar mitfühlend angschaut. Kredit muss sein in Thailand.

Express-Darlehen in 45 Minuten

Das bewies auch die Bangkoker Geld-Expo diesen Monat. Vier Tage lang drängelten sich 600.000 Besucher durch die Gänge, auf der Suche nach schnellem Kredit. Und den bekamen die Thais von den Ausstellern. Ein Höhepunkt der Messe, organisiert durch ein lokales Finanzmagazin, war ein Express-Darlehen, bei dem man binnen 45 Minuten bis zu 2000 Euro Kredit bekommen konnte.

Vor dem Stand war zu jeder Zeit eine Schlange von Menschen zu beobachten, gierend nach einer weiteren Plastikkarte für den Geldbeutel. Manche Firmen warfen denjenigen, die Darlehen ab 20.000 Euro abschlossen, Plasma-Fernseher in den Deal - oder Reiseversicherungen. Jeder Besucher nahm automatisch an einer Verlosung teil, bei der man so schöne Preise wie Hotelgutscheine in Pattaya ergattern konnte. Aber die gröβten Gewinner waren natürlich die Anbieter von Krediten, Darlehen, Hypotheken, Aktien und Investmentfonds: sie erzielten fast 160 Millionen Euro in Geschäftsabschlüssen.

Warnungen im Umlauf

Doch gerade Kreditkartenanbieter waren von der Messe - eigentlich eine Shopping Mall für Schulden - ein wenig enttäuscht. Viele Besucher hatten sich in diesem Bereich zurückgehalten, vielleicht weil Thailands Premerminister Thaksin Shinawatra leise Warnungen aussprach vor der Geld-Messe. Warnungen, die Thailands Zentralbank seit letztem Jahr unter die Leute zu bringen versucht. Die Thailänder sind zu hoch verschuldet, und das liegt vor allem an billigen Kreditkarten, von denen nicht nur Gutverdienende mehr als zehn besitzen.

In Thailand sind fast zehn Millionen davon im Umlauf, 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Zwar muss jemand mindestens 300 Euro im Monat verdienen (das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt in Thailand bei fast 3200 Euro), um an Plastikgeld zu kommen, und der Kredit darf das Fünffache eines Monatsgehalts nicht überschreiten. Aber dank der Regierung, die den Inlandsverbrauch ankurbeln will, kämpfen Banken und Kreditkartenanbieter um Kunden - und lockern die Regeln.

Gang zum Kredithai

Diese Politik zeigt nun ihr hässliches Gesicht. Ein Siebtel der Gesamtbevölkerung Thailands besitzt Kreditkarten, und diesen Thais stehen fast eine halbe Milliarde Euro an Kredit zur Verfügung, ein nicht geringer Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts. Ein thailändischer Durchschnittshaushalt ist hoch verschuldet, mit mehr als der Hälfte seines Einkommens. Um die Schulden abzubezahlen, bleibt den Thais nichts anderes übrig als der Gang zu Kredithaien, deren Zinssätze normalerweise bei 40 Prozent und auch mehr liegen. Der Teufelskreis der Schulden nimmt kein Ende.

Die Regierung hat die Verbraucher nie zum Sparen aufgerufen. Sie hat sie zum Ausgeben ermuntert. Jetzt zwingt Thaksin seinen Finanzminister, mehr als nur einen Blick in den Schuldenberg der Thailänder zu werfen. Immerhin kämpft Thaksin seit längerem einen Krieg gegen die Armut, nicht unähnlich seines Krieges gegen Drogen. Denn fast ein Sechstel des Landes lebt unter der Armutsgrenze, und wenn der Kreditkartenwahn nicht bald gestoppt wird, dann wird die Regierung sich bald gezwungen sehen, eine Niederlage einzugestehen.

Gut für Kredit-Süchtige, das Land, die Regierung

Und darin sind die führenden Politiker, allen voran Thaksin, schlecht. Ungeübt geradezu. Ein klammer Verdacht zwingt sich hier einem auf. Vielleicht geht es hier - wieder einmal - viel mehr ums Image der Regierung als um das Wohlergehen der verschuldeten Verbraucher. Ansonsten würde eine solche Geld-Expo schlicht verboten werden. Was nur gut wäre für Kredit-Süchtige. Gut fürs Land, und im Endeffekt auch gut für die Regierung.