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Kampf gegen ein Phantom

Peter Philipp26. Juli 2003

Dürfen Tote in den Medien öffentlich zur Schau gestellt werden? Die US-Regierung hat sich im Fall der getöteten Söhne Saddam Husseins dafür entschieden - mit konkreten politischen Absichten.

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Fahndungsaufruf der amerikanischen Besatzungsbehörde im Irak (CPA)Bild: CPA

Der Kommentator einer linksliberalen deutschen Tageszeitung hält die Veröffentlichung von Fotos der Leichen der beiden Saddam-Söhne für eine Verletzung der Menschenwürde. Denn dieses Prinzip dürfe auch nicht durch die Untaten der beiden Söhne des Diktators aufgehoben werden, die ja weltweit nicht in Frage stehen. Und der Kommentator bezweifelt, dass die Veröffentlichung der Fotos von Udai und Kusai Hussein wirklich jemanden im Irak oder der arabischen Welt überzeuge: Wer die Echtheit der Fotos nicht glauben wolle, der werde sie auch nicht glauben.

Immerhin ein ernsthafter Versuch, mit dem schwierigen Thema umzugehen. Andere machen sich nicht diese Mühe, sondern sie nutzen die Gelegenheit, den Amerikanern die Verletzung elementarster Regeln vorzuwerfen, die diese der Welt doch sonst immer predigten. Und der Autor scheint Recht zu haben: Im Irak und in anderen arabischen Ländern sind viele Stimmen zu hören, die bezweifeln, dass die Fotos wirklich die sterblichen Überreste der beiden Saddam-Söhne zeigen. "Natürlich" hätten die Amerikaner die Photos entsprechend bearbeitet, "natürlich" werde hiermit nur Propaganda betrieben.

Test für die Glaubwürdigkeit

Andere lassen sich von den Fotos überzeugen. Und auf sie kam es den Amerikanern bei der Veröffentlichung an. Auch in Washington gehen die Meinungen auseinander, ob man zwei Leichen derart zur Schau stellen dürfe. Aber offizielle Stellen haben entschieden, dass der Anspruch auf menschenwürdige Behandlung dieser beiden Getöteten nicht vergleichbar ist mit dem Anspruch einfacher Soldaten oder auch Zivilisten, die getötet und dann zur Schau gestellt wurden. Zum Beispiel im Irak, als Saddam noch an der Macht war.

Der wahre Test für die Glaubwürdigkeit der Fotos liegt im Irak, dann in der arabischen Welt und nur am Rande im Rest der Welt: Im Irak soll sich die Überzeugung durchsetzen, dass das Regime Saddam Husseins mit dem Tod seiner beiden Söhne endgültig beendet ist. Und natürlich mussten die Amerikaner den Irakern dafür Beweise liefern. Wenngleich die Fotos zunächst nur über Fernsehen - CNN und arabische Satellitenstationen - verbreitet wurden. Dies sind aber nicht die Programme, die der einfache Iraker sieht und deswegen werden die Fotos nun auch noch in den neuen irakischen Printmedien verbreitet, deren Vertreter die Leichen selbst in Augenschein nehmen durften. Immer mit dem Handicap, dass die Iraker nach jahrzehntelanger Diktatur erst einmal Vertrauen in die Medien fassen und lernen müssen, ihnen aufgeschlossen entgegenzutreten.

Misstrauen allerorts

Das tiefe Misstrauen gegenüber staatlichen und gleichgeschalteten, auf jeden Fall aber zensierten Medien beschränkt sich natürlich nicht auf den Irak. Es ist vielen Ländern gemein und viele davon sind Teil der arabischen und islamischen Welt. Dies, vermengt mit einem tiefen Misstrauen gegenüber den USA, macht die Aufgabe umso schwerer, die Botschaft vom Ende der Diktator-Söhne zu vermitteln.

Washingtons Hoffnung, hiermit auch das Phantom zerstört zu haben, das alte Regime leiste aus dem Untergrund Widerstand und werde früher oder später zurückkehren, wird sicher nicht bei allen in Erfüllung gehen, die die Bilder von Kusai und Udai gesehen haben. Zu ausgeprägt ist dafür bei vielen die Tendenz, nur zu glauben, was ihnen ins Weltbild passt. So hält sich in arabischen und islamischen Ländern bis heute das Gerücht, die Anschläge vom 11. September 2001 seien doch eigentlich vom israelischen Geheimdienst durchgeführt worden, um Muslime weltweit zu diskreditieren.