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Kampf dem Bohrer

9. August 2010

Es gibt ein neues Verfahren in der Zahnarztpraxis, mit dem Karies im Anfangsstadium nun auch ohne Bohrer behandelt werden kann. Ein Hamburger Unternehmen hat dafür den Innovationspreis 2010 erhalten.

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Kariesinfiltration mit dem Kunststoff ICON (Foto: DW/ Ralf Gödde)
Karies ade - der Kunstoff ICON macht es möglichBild: DW/Ralf Gödde

Zwei Drittel der Deutschen haben ein mulmiges Gefühl, wenn sie auf dem Zahnarztstuhl Platz nehmen. Rund jeder achte Patient leidet sogar unter der so genannten Oralophobie, eine krankhafte Angst vor der Behandlung. Vor allem natürlich vor dem Bohrer. Frohe Kunde kommt nun aus Hamburg. Glaubt man den Versprechungen der Firma DMG, so kann Karies ab sofort auch ohne Bohrer behandelt werden.

Die so genannte Kariesinfiltration kommt allerdings nur in bestimmten Fällen infrage, erklärt Susanne Stegen, Geschäftsführerin der Firma DMG. "Das Verfahren ist geeignet für Karies im frühen Stadium. Das heißt Karies, die im Schmelz des Zahns sitzt und bis etwa ins erste Drittel des Dentins vorgedrungen ist. Alles, was tiefer ist, erfordert leider den Bohrer."

Mikroaufnahme eines Zahns mit Karies Kariesloch (Foto: picture-alliance/ Okapia KG, Germany)
Karies unter dem RasterelektronenmikroskopBild: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany

Bisher hat der Zahnarzt in diesen Fällen zwei Behandlungsmöglichkeiten: Die erste basiert auf dem Prinzip Hoffnung. Er versorgt den betreffenden Zahn mit Fluoriden und appelliert an den Patienten, die Beißerchen besser zu pflegen. Dann gilt es abzuwarten und darauf zu hoffen, dass aus den kleinen Defekten nicht richtige Löcher werden. Oder aber er greift direkt zum Bohrer, um die beginnende Karies zu beseitigen. Dabei geht jedoch gesunde Zahnsubstanz verloren, erläutert Professor Ulrich Schiffner, Oberarzt am Universitätsklinikum Eppendorf. "Das Problem bisher ist, dass ich bei Löchern, die nur den Zahnschmelz betreffen oder ein ganz klein bisschen mehr, erst einen Teil vom Zahn wegbohren muss, um überhaupt an die Karies zu kommen."

Schmerzfreies Verfahren arbeitet mit Flüssigkeiten

Die neue Methode bietet nun die Möglichkeit, das kleine Loch auch ohne Bohrer zu füllen und damit eine Ausbreitung der Karies in die Tiefe zu verhindern. Mit einem Gel wird zunächst die oberste Mineralschicht über der defekten Fläche entfernt und anschließend ein neu entwickelter dünn fließender Kunststoff (ICON) aufgetragen. Diese Substanz dringt dann über Kapillarkräfte in die Schmelzmatrix ein und wird schließlich wie jede Kunststoff-Füllung licht gehärtet.

Mit Behandlungsinstrumenten wird das Gebiss eines Patienten in einer Zahnarztpraxis begutachtet (Foto: dpa)
Neue Technik für schönere Zähne ohne schmerzhafte BehandlungBild: dpa

Speziell gedacht ist die neue Methode für Zahnzwischenraumkaries, aber auch für kleine Defekte auf Glattflächen, zum Beispiel bei Patienten, die eine feste Klammer getragen haben. Bundesweit gibt es schätzungsweise 6000 Zahnärzte, die die Kariesinfiltration bereits anwenden. Ron Tehsmer hat bisher etwa 20 Zähne auf diese Weise behandelt. Seine Patienten seien zufrieden, "glauben daran, so wie ich auch dran glaube." Was ihm immer ganz wichtig sei, dass er nichts kaputt mache. "Es ist keine invasive Methode, sondern wirklich nur ein Versuch, die Kariesbehandlung herauszuzögern oder komplett zu vermeiden", erklärt Tehsmer.

Zahnseide ist billiger

Zahnarzt Ron Tehsmer aus Hamburg (Foto: DW/ Ralf Gödde)
Zahnarzt Ron Tehsmer aus HamburgBild: DW/Ralf Gödde

Die Prozedur dauert pro Zahnfläche etwa 20 Minuten und kostet 80 bis 100 Euro, die von den Kassen nicht bezahlt werden. Ron Tehsmer setzt daher nach wie vor auch auf die herkömmliche Methode und empfiehlt seinen Patienten die gründliche Pflege: "Ich halte die Zahnseide für das im Moment kostengünstigere Mittel, um langfristig ein Bohren zu vermeiden." Das Verfahren mit ICON sei relativ teuer, aber innovativ. Daher verwende er es von Zeit zu Zeit. "Aber erst die Zukunft wird zeigen, ob ich da auf den richtigen Zug gesetzt habe."

Die ersten klinischen Studien mit ICON beziehen sich nach Angaben von Professor Ulrich Schiffner lediglich auf einen Zeitraum von 18 Monaten. "Diese Studien zeigen an, dass es bei ungefähr 75 Prozent der versorgten Zahnflächen zu einem Stillstand der Karies kommt und damit das gewünschte Ziel erreicht ist."

Autor: Ralf Gödde
Redaktion: Nicole Scherschun