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Kampf gegen Scientology

Rachel Baig21. Februar 2013

"Herrenmenschentum" und "Führerkult" - das werfen Kritiker Scientology in Deutschland vor. Die Mitglieder beharren, sie bildeten eine Kirche. Der Verfassungsschutz beobachtet die Sekte - aber verboten ist sie nicht.

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Zentrum der Scientology Sekte in Berlin Charlottenburg (Foto: AFP/Getty Images)
Zentrum der Scientology Sekte in Berlin CharlottenburgBild: AFP/Getty Images

Ursula Caberta hat frustriert aufgegeben. Die ehemalige Sektenbeauftragte der Stadt Hamburg ist Deutschlands profilierteste Scientology-Gegnerin und weit über die Hansestadt hinaus bekannt. Dass sie kürzlich zurückgetreten ist, macht deutlich, wie schwierig der Kampf gegen die Sekte und ihre Strukturen ist.

Fast zwei Jahrzehnte hatte Caberta die Arbeitsgruppe Scientology im Auftrag des Hamburger Senats geleitet. Sie hat nicht nur über die Organisation informiert, sondern auch Menschen beraten, die aussteigen wollten. Für sie ist Scientology nicht das Problem einzelner Opfer, sondern eine Bedrohung für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. "Mir wurde klar: Scientology ist keine Religion, sondern eine totalitäre Organisation, mit Führerkult und Herrenmenschentum." Ursula Caberta forderte ein Verbot - aber dafür fand sie in der deutschen Politik nie eine Mehrheit.

Jürg Stettler, Sprecher der Scientology Kirche Deutschland e.V. (Copyright: Jürg Stettler)
Für Scientology in Deutschland spricht Jürg StettlerBild: Jürg Stettler

Und auch der Hamburger Senat ruderte zurück: Aus Kostengründen schloss er 2010 die Arbeitsgruppe und delegierte die Einzelberatung an den Verfassungsschutz. Caberta durfte nur noch Aufklärungsarbeit leisten, ohne Mitarbeiter. Jetzt hat sie das Handtuch geworfen, weil die politische Unterstützung wegbricht: "Wenn die Mittel für Öffentlichkeitsarbeit fehlen, dann wird es schwer, so einen Job zu machen", beklagt die 62-Jährige gegenüber der DW.

Scientology bleibt unter Beobachtung

Scientology nennt sich selbst eine Religion und ihr Haus Kirche - das ist einer der Punkte, an dem sich immer wieder Kritik entzündet. Jürg Stettler, Sprecher der Organisation, nennt sie eine "idealistische Vereinigung" und betont: "In Deutschland wurde der erste Scientology-Verein 1972 etabliert. Es gibt acht Kirchen, zehn Missionen und zahlreiche individuelle Gruppierungen." Die Kirchen und Missionen sind als eingetragene Vereine (e.V.) organisiert und regeln ihre internen Aktivitäten selber. Sie finanzieren sich durch Mitglieder- und Spendenbeiträge; außerdem genießen sie als Religionsgesellschaften steuerrechtliche Vorteile.

Das sei nur das harmlose Äußere, argumentiert Manfred Napieralla vom Verfassungsschutz Hamburg. Scientology strebe nach Geld, Macht und Einfluss. Aussteiger und Kritiker berichten von massivem Psychodruck auf die Mitglieder, sich der Kirche ganz und gar zu verschreiben. Die Organisation "will Schlüsselpersonen der Politik, Wirtschaft, Medien und anderer gesellschaftlicher Bereiche beeinflussen, instrumentalisieren und kontrollieren". Das war nicht immer so. 1950 von L. Ron Hubbard mit einer Mischung aus Science-Fiction, philosophischen und psychologischen Versatzstücken geschaffen, schien sie zunächst eine Bewegung unter vielen. "1968 bis 1970, das war eine Aufbruchzeit für junge Leute. Zu der Zeit gab es auch etliche Kulte und Sekten, von denen eine Scientology war. Sie konnte sich in Ruhe ausbreiten", erklärt Napieralla.

Demonstration vor dem Sitz der Scientology-Organisation in Berlin (Foto: dpa)
Demonstration vor dem Sitz der Scientology-Organisation in BerlinBild: picture-alliance/ dpa

1997 beschloss die Innenministerkonferenz, die Organisation vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen - zu Recht, wie das Oberverwaltungsgericht Münster 2008 bestätigt hat. Die Richter stellten fest, dass Scientology eine Gesellschaftsordnung anstrebe, die Grundwerte wie die Menschenwürde und das Recht auf Gleichbehandlung außer Kraft setze oder einschränke.

Der Einfluss der Bewegung schwindet

Verboten ist Scientology in Deutschland also nicht - aber Prozesse, Verfassungsschutzberichte und öffentliche Aufklärung führen hier wie in anderen westeuropäischen Ländern dazu, dass sie weniger Zulauf bekommt. "Würde Scientology nicht mehr so kritisch betrachtet werden oder ließe die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nach, dann würde Scientology wieder offensiver werden und sich auch besser ausbreiten können", befürchtet Napieralla vom Verfassungsschutz Hamburg. Gegen Kritiker gingen Scientologen hart vor: "Dafür gibt es eine spezielle Einheit, das 'Office of Special Affairs' mit seiner Unterabteilung in Deutschland, dem 'Department of Special Affairs'", weiß der Geheimdienstmitarbeiter. Scientology schrecke auch nicht davor zurück, Feinde unter Druck zu setzen und auszuspionieren.

Die Scientology-Beauftragte der Hamburger Innenbehörde, Ursula Caberta (Foto: dpa)
Ursula Caberta, Ex-Sektenbeauftragte aus HamburgBild: picture-alliance/ dpa

Manfred Napieralla muss es wissen - die Beratungsstelle des Hamburger Verfassungsschutzes erreichen jedes Jahr rund 550 Anfragen - von Informationssuchenden bis Aussteigern. "Selbst wenn es mit der Scientology selber deutlich bergab geht, sorgt sie immer noch für Verunsicherung. Mit ihrer Angebotspalette zielt sie auf breite Teile der Gesellschaft und geht dabei auch verdeckt und subversiv vor." Auch Ursula Caberta hält den Einsatz gegen Scientology nach wie vor für wichtig. "Das ist eine Organisation, die schon viele Krisen überlebt hat", warnt sie. "Wenn man da nicht wirklich immer hinterher ist, dann erholen die sich auch schnell wieder."