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Straflosigkeit in Mexiko

28. Mai 2011

Der mexikanische Menschenrechtsverteidiger Abel Barrera Hernández und das von ihm gegründete Menschenrechtszentrum "Tlachinollan" erhalten den 6. Menschenrechtspreis von Amnesty International in Deutschland.

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Der mexikanische Menschenrechtsaktivist Abel Barrera Hernández (Foto: DW)
AI-Preisträger: Abel BarreraBild: DW

Unter allen Menschenrechtlern der Welt einen Einzelnen hervorzuheben ist nicht einfach, gibt Amnesty International Deutschland zu. Dieses Jahr hat sich die Waagschale zugunsten des Mexikaners Abel Barrera Hernández geneigt. "Wir wissen, was Ungerechtigkeit ist, und wir wissen, dass wir etwas tun müssen, damit sie sich nicht wiederholt", sagt Abel Barrera Hernández. Weil er und seine Mitarbeiter im Menschenrechtszentrum Tlachinollan sich seit 1994 unermüdlich und unter hohem persönlichen Risiko für die Rechte der indigenen Bevölkerung im mexikanischen Bundesstaat Guerrero einsetzen, verlieh ihm die deutsche Sektion der international tätigen Menschenrechtsorganisation Amnesty International im Zuge der Feierlichkeiten zu ihrem 50-jährigen Bestehen den Preis.


Das von Abel Barrera gegründete Menschenrechtszentrum Tlachinollan in Mexiko (Foto: DW)
Das Menschenrechtszentrum TlachinollanBild: Menschenrechtszentrum Tlachinollan


Es sind Menschenrechtsaktivisten, die unter besonders schwierigen Umständen kämpfen müssen, so Amnesty. "Seitdem die Regierung von Felipe Calderón den Krieg gegen den Drogenhandel ausgerufen hat, haben die Menschenrechtsverletzungen und die Aggressionen von Seiten der Armee erheblich zugenommen, obwohl diese eigentlich polizeiliche Aufgaben übernehmen sollte", sagt Ferdinand Muggenthaler, der US-Experte von Amnesty International Deutschland. "Wir sprechen nicht von Fehlern, sondern von Verbrechen. Die Antidrogen-Strategie sorgt nicht für mehr Sicherheit, ganz im Gegenteil."

Kampf gegen die Straflosigkeit

Zu den Opfern dieser Strategie gehören Valentina Rosendo Cantú und Inés Fernández Ortega. Sie wurden von Soldaten bedroht, misshandelt und vergewaltigt. Dank der Aktivisten im Menschenrechtszentrum haben es diese beiden Fälle bis vor den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof in Costa Rica geschafft. Abel Barrera Hernández und sein Menschenrechtszentrum Tlachinollan kämpfen gegen die Kultur der Straflosigkeit. "Die Militärjustiz richtet normalerweise über diese Straftaten, deswegen kommen die Täter fast immer ungeschoren davon", sagt Abdel Barrera. Die Tatsache, dass ein internationaler Gerichtshof zu diesen Fällen Stellung nehme, könne viel Druck ausüben. "Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Ziviljustiz den Fall aufnimmt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden", erklärt Barrera. Seine Arbeit, solche Fälle voranzubringen, ist inzwischen weit über die Grenzen des Bundesstaates Guerrero bekannt.

Valentina Rosendo Cantú (m.) wurde von Soldaten misshandelt und vergewaltigt (Foto: DW)
Valentina Rosendo Cantú (m.) wurde von Soldaten misshandelt und vergewaltigtBild: DW

Unterstützung für die Opfer

Im Menschenrechtszentrum Tlachinollan bekommen die Opfer von Gewalt und sexueller Gewalt Beratung und Hilfe, um rechtlich gegen die Täter vorgehen zu können. Der lokalen indigenen Bevölkerung fällt es oft schwer, eine Anklage vor Gericht voranzutreiben. Angehörige der indigenen Bevölkerung kennen sich mit Rechtsfragen nicht aus, können keinen Anwalt bezahlen und in vielen Fällen sprechen sie nicht gut genug Spanisch. "Sie werden oft übergangen, anders als die Einwohner von Juárez oder anderen Orten", sagt der AI-Experte Muggenthaler. Der Rassismus ist immer noch vorhanden, vor allem in der Armee.

Polizisten bewachen den Tatort einer Schießerei zwischen verfeindeten Drogenbanden, zwei Leichen liegen auf der Straße (Foto: AP)
Immer wieder kommen unbeteiligte Zivilisten ums LebenBild: AP

Im Gegensatz zur Grenzregion Mexikos zu den Vereinigten Staaten, wo der Drogenhandel überwiegt, ist Guerrero eine Region, die vom Drogenanbau dominiert wird. Bei der Konfrontation zwischen den staatlichen Sicherheitskräften und den Drogenhändlern leidet in den abgelegenen Dörfern oft die Zivilbevölkerung. Zivilisten geraten oft mitten ins Kreuzfeuer. "Mal werden sie von den Drogenhändlern zum Anbau gezwungen, mal sehen sie sich durch die Armut dazu gezwungen", erklärt Muggenthaler.

Breiter Handlungsansatz in einer Konfliktregion

Abel Barrera Hernández und das Zentrum Tlachinollan kämpfen nicht nur gegen die Straflosigkeit. Sie kooperieren bei der Entwicklung von Plänen zur alternativen und nachhaltigen Landwirtschaft, schlichten Streit bei politischen und religiösen Themen und arbeiten in einem NGO-Netzwerk, das die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern möchte.

"Ihre Geschichte ähnelt der unseren“, erzählt Amnesty-Sprecher Muggenthaler, "auch wir von Amnesty International haben damals mit einem bestimmten Ziel vor Augen unsere Arbeit aufgenommen. In unserem Falle ging es um die Rechte von Gefangenen, und mit der Zeit haben wir unsere Ziele ausgeweitet." Heute setzt sich Amnesty auch für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte ein, die vor allem für die ärmere Bevökerung weltweit schwer durchzusetzen ist. So ist es besonders passend, dass Abel Barrera Hernández im Jahr 2011, dem Jahr, in dem Amnesty International ein halbes Jahrhundert alt wird, den Preis erhält.

Autorin: Luna Bolívar Manaut
Redakteur: Ulrike Mast-Kirschning/ Enrique López