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Kampf, nicht Vorbeugung

Alexander Kudascheff27. November 2002

Die NATO hat gefeiert - vor allem sich selbst. In Prag, beim Gipfel, wurden im Prinzip sieben neue Mitglieder aufgenommen. Und: die größte Militärallianz der Welt gibt sich eine neue Strategie.

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Nicht mehr die Landesverteidigung steht im Mittelpunkt ihres Denkens, sondern der Kampf gegen den Terrorismus. Und dafür braucht man schnelle, flexible, mobile Kommandostrukturen und schnell verlegbare Einheiten. Deswegen baut die NATO eine schnelle Eingreiftruppe von rund 20.000 Mann auf, die in sieben tagen einsatzbereit sein soll und wenn nötig dreißig Tage kämpfen kann. Der Kampf gegen den Terrorismus - er wird weltweit geführt, so daß ein Begriff wie "out of area" auf dem Müllplatz der Begriffsgeschichte landet. Und: man versteht darunter wirklich: Kampf, nicht Vorbeugung, nicht Abschreckung, sondern entschlossenes Handeln.

Am Konzept der Eingreiftruppe gab es keine Kritik, auch weil die Europäer wissen, dass, wenn sie nicht mitmachen, die Amerikaner allein handeln werden - und auch die NATO plötzlich nur noch ein Relikt ist. Der Abstand zwischen der einzigen Supermacht und den europäischen Partnern ist unglaublich, ja dramatisch.

Allein auf militärischer Flur?

Ein Beispiel: die USA verfügen über 250 Großraumtransporter, um ihre Soldaten und ihre Waffen überall hin zu befördern, wo es nötig ist; die europäischen Alliierten über gerade einmal elf, und davon sind vier noch geleast. Und was beim Lufttransport gilt, gilt auch bei der Betankung von Flugzeugen der Fall, bei den Abstandspräzisionswaffen in Kampfjets, bei der Kommunikation, bei der Satellitenaufklärung.

Wohin man schaut: die Amerikaner stehen praktisch allein auf militärischer Flur. Und die Europäer können nur zuschauen. Das soll sich ändern. Die Europäer wollen sich auf den teuren Weg machen, und ihre Defizite beseitigen. Und: sie ahnen, dass sie auch ihre Armeen umbauen werden müssen. Frankreich und England haben diesen Prozess schon weitgehend hinter sich, die Deutschen haben ihn noch vor sich. Wohin mit der Wehrpflicht, lautet da die Kernfrage.

Politischer Quantensprung

Doch an einem wollen die Europäer trotzdem festhalten: sie wollen ihre eigene Verteidigungsfähigkeit stärken. Deswegen haben Paris und Berlin ein Papier vorgelegt, dass auf dem Verfassungskonvent diskutiert werden soll. Wird es im Prinzip angenommen, dann hätte die europäische Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik geradezu Verfassungsrang.

Ein politischer Quantensprung. Und vielleicht würde man dann auch wenigstens auf dem alten Kontinent eine Frage genauer diskutieren: Hilft im Kampf gegen fundamentalistische Terroristen ausschließlich die militärische Kampfkraft? Oder muss man nicht, wie es die Europäer immer wieder fordern, auch politische Alternativen suchen? Schließlich kann die NATO der Zukunft ja nicht in den Elendsvierteln von Karatschi ebenso nach Terroristen fahnden wie in der Gebirgswelt des Jemen? Oder doch?