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Kampf um den letzten Stimmzettel

Daniel Scheschkewitz5. November 2002

Bei den Kongresswahlen in den USA geht es auch um die politische Zukunft von George W. Bush. Falls die Republikaner künftig beide Kammern des Kongresses beherrschen, würde dies Bush das Regieren bedeutend erleichtern.

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Capitol Hill in Washington: Neue Hausherren gesuchtBild: Illuscope

Die Amerikaner wählen am Dienstag (5.11.) einen Großteil der Kongress-Mitglieder neu. Ein Drittel der Senatoren und alle Abgeordneten des Repräsentantenhauses müssen sich dem Votum des Volkes stellen. Zudem steht in zahlreichen Staaten eine Entscheidung über die Gouverneure an.

Derzeit verfügen die Republikaner nur in einer Kammer des Parlaments, nämlich dem Repräsentantenhaus, über die Mehrheit. Im Senat fehlt ihnen diese, so dass wichtige Gesetze von den Demokraten blockiert werden können.

Tipps vom Präsidenten

US Präsident George W. Bush, Rede
US-Präsident George W. Bush wirbt derzeit um jede Stimme für Kandidaten der Republikaner (Foto: Archiv)Bild: AP

Der Wahlausgang gilt in vielen Staaten als äußerst knapp. Präsident George W. Bush hat sich deshalb auf eine ausgiebige Wahlkampf-Tour begeben: Tenessee, Georgia, Florida, Illinois, Minnesota - kein Staat, in dem er nicht bis zuletzt sein eigenes Gewicht in die Waagschale geworfen hätte, wenn das Rennen Spitz auf Knopf steht. So auch in Iowa, einem von mindestens sechs Staaten, in denen der Ausgang der heutigen Senatorenwahl vollkommen offen ist und wo er den Menschen empfahl, wen sie doch bitte wählen mögen: “Doug Gross ist der richtige Gouverneur für Euch, Greg Ganske der beste Senator.”

Ob als republikanischer Kandidat für den Senat, den Kongress oder die zahlreichen Gouverneursposten, sie alle konnten im zurückliegenden Wahlkampf mit Unterstützung des Präsidenten rechnen, der "saubere, ehrliche Leute" auf dem Kapitolshügel sehen will. Bush hat sich fest vorgenommen auf dem Stimmungshoch seiner eigenen Popularität den historischen Trend zu brechen und die politischen Mehrheitsverhältnisse im Kongress zu seinen Gunsten zu verändern.

Angst vor Blockade

Bush möchte damit eine Blockade seiner Politik durch den Senat verhindern. Probleme hatte Bush bisher zum Beispiel bei der Ernennung der höchsten Richter im Lande, wo ihm der von den Demokraten mit einer Stimme Mehrheit kontrollierte Senat ein ums andere mal in die Quere kam. "Wir können unsere Kandidaten für das Richteramt nicht durch den Senat bekommen", klagte der Präsident. "Sie werden unnötigerweise zum Spielball der Politik gemacht und ihre Bilanz wird verzerrt."

Die Demokraten suchten lange vergeblich nach einem übergeordneten Wahlkampf-Thema - in der Irakfrage hatten sie Bush vor der Wahl selbst weitgehende Vollmachten erteilt, also musste notgedrungen die Wirtschaft herhalten, wo Rekordarbeitslosigkeit, Finanzskandale und zurückgehendes Konsumentenvertrauen die düstere Lage kennzeichnen. Terry Macauliff, Vorsitzender des nationalen Komitees der Demokratischen Partei, wirft dem Präsidenten mangelnden Einsatz für die Wirtschaft vor: "Ich würde mir wünschen, Bush hätte genauso viel Zeit für die Wirtschaft aufgebracht wie für die schwächelnden Kandidaten seiner Partei. Die Zeit wäre sinnvoller investiert gewesen."

Große Pläne

Doch Bush möchte in den verbleibenden zwei Jahren seiner Präsidentschaft noch einiges bewerkstelligen: unter anderem will er Firmen gegen Terrorismusanschläge versichern lassen, ein Superministerium für die Sicherheit des Heimatlandes gründen und die Steuern weiter senken. Dazu wäre eine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses von Vorteil. Aber, selbst wenn die Republikaner gute Aussichten haben ihre knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus zu konsolidieren, im Senat wird es eng, meint Bill Frenzel vom Brookings Institute in Washington: "Ich glaube Amerika ist ziemlich genau in zwei Hälften gespalten. Unsere Geschichte ist geprägt von zwei Parteien, die sich immer recht ähnlich waren - und in letzter Zeit fanden es die Menschen zunehmend schwerer sich für eine von ihnen zu entscheiden."

Gore
Der demokratische Präsidentschaftskandidat Al Gore unterlag seinem Konkurrenten Bush bei den Präsidentschaftswahlen 2000 nur knapp (Foto: Archiv)Bild: AP

Viel wird davon abhängen, wer seine Stammwählerschaft am Dienstag besser zu mobilisieren versteht, die Demokraten oder die Republikaner von Bush, der auch den letzten Anhänger zur Wahlurne bittet: "Jeder zählt bei dieser Wahl und ich zähle auf Euch, dass ihr unsere Leute über die Ziellinie bringt."

Armada der Anwälte

Bis alle Wahlzettel, Stimmkarten, und Computerstimmen - jeder Staat vertraut einer anderen Methode - ausgezählt werden, könnten Tage, wenn nicht Wochen vergehen. Manch ein Beobachter meint, ein zweites Wahlchaos wie vor zwei Jahren bei der Präsidentschaftswahl in Florida sei nicht unwahrscheinlich. Die demokratische Partei hat für eventuelle Anfechtungen und Nachzählungen vorsorglich bereits 10.000 Anwälte in Alarmbereitschaft versetzt. Man möchte gewappnet sein, sollte es wieder so knapp ausgehen wie bei der vergangenen Präsidentenwahl, als erst nach tagelangem und wiederholtem Zählen der Stimmzettel in Florida der neue Präsident feststand.