1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kampf um die Heimat

18. November 2002

- Rolle der deutschen Minderheit in der Region Oppeln trotz der gewonnenen Kommunalwahlen umstritten

https://p.dw.com/p/2qPr

Lodz, 18.11.2002, WOCHENZEITSCHRIFT ANGORA, poln., Krzysztof Rozycki

In der Region Opole (Oppeln) gewinnen immer die Deutschen, egal ob es sich dabei um eine Überschwemmung oder um eine Dürreperiode handelt. Als sich die Partei Liga Polnischer Familien mit der Allianz der Demokratischen Linken (SLD) in eine Auseinandersetzung hineinsteigerte und die Partei Selbstverteidigung in einen Konflikt mit der Bauernpartei PSL geriet, gewann die deutsche Minderheit die Kommunalwahlen in 31 Gemeinden. Im Woiwodschaftsparlament ist die deutsche Minderheit die zweitstärkste Kraft. Ihr Vertreter wird außerdem den Posten des Marschalls des Woiwodschaftssejms behalten können, da die Koalition zwischen der Partei SLD und der deutschen Minderheit aufrechterhalten wird. Heute überwiegen die Deutschen schon in Gogolin, Strzelce Opolskie (Groß Strehlitz), Kedzierzyn (Heydebreck). Und morgen...?

In Opole sieht man fast keine Spuren der Wahlen mehr. Die offiziellen Ergebnisse werden in einigen Stunden bekannt gegeben. Es ist aber schon jetzt bekannt, dass elf Mandate im Woiwodschaftssejm die Partei SLD bekommt, sieben die Vertreter der deutschen Minderheit und jeweils drei die Partei Selbstverteidigung, die Liga der Polnischen Familien, sowie die Allianz Bürgerplattform und Recht und Gerechtigkeit. In den Medien wurde bereits die Verlängerung des Koalitionsvertrages zwischen der SLD und der deutschen Minderheit angekündigt. (...)

Ryszard Galla (Deutsche Minderheit) hat die meisten Gründe zur Freude. Von allen aufgestellten Kandidaten bekam er die meisten Stimmen. Er wurde von insgesamt 8 737 Wählern gewählt und braucht sich jetzt keine Sorgen mehr darüber zu machen, dass er das Büro des Marschalls des Woiwodschaftssejms räumen muss. Auch in der neuen Amtsperiode wird er seinen Posten behalten können.

"Manche politische Gegner werfen uns Nationalismus oder anderen Unsinn vor. Wir sind jedoch offen für Gespräche und eine Zusammenarbeit mit jeder Partei, sogar mit der Liga Polnischer Familien, die sich gegen den Beitritt Polens zur Europäischen Union ausspricht. Nicht alle Parteien spielen fair. Die Partei Selbstverteidigung nominierte einen Kandidaten, der einen identischen Nachnamen wie ich trägt. Er bekam etwa 500 Stimmen, d.h. soviel wie uns für ein weiteres Mandat fehlte. Gestern überprüften die Beamten des Woiwoden die Gräber deutscher Soldaten aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, die sich in unserer Region befinden. Das ist zwar nur ein kleines Detail, aber warum wird dies ohne die Beteiligung eines Vertreters der deutschen Minderheit oder jemanden aus der Selbstverwaltung gemacht?", sagt Ryszard Galla

In der Gaststätte "Zajazd Krapkowice" ("Rasthof Krappitz") sitzen viele Gäste. Die Mehrheit der dort geparkten Autos hat deutsche Nummerschilder. An den Tischen wird jedoch nur Polnisch gesprochen. Fast alle Gespräche betreffen die Arbeit, aber natürlich in Deutschland. Die Wahlen gehören hier der Vergangenheit an.

"Wie immer habe ich meine Stimme für die deutsche Minderheit abgegeben", sagt Hubert, ein junger muskulöser Mann, der in Essen arbeitet. Er fügt hinzu: "Wem sonst könnte ich meine Stimme geben? Schade nur, dass die Leute an der Spitze der deutschen Minderheit so traurig wirken. Schauen sie sich Kanzler Schröder nur an. Er lächelt immer, und unser Henryk Kroll hat sogar nach diesen Wahlen eine Miene, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte. Kann so ein Mann die Jugend für sich gewinnen? Ich weiß, dass er in der Ortschaft Otment (Ottmuth) wohnt, wo ich viele Freunde habe. Ich weiß auch, dass er zu Hause Polnisch spricht. Was für einen Deutschen kann er also abgeben? Etwas anderes ist Ryszard Galla, ein echter Europäer, der offen und intelligent ist. Solche Menschen brauchen wir an der Spitze der deutschen Minderheit".

Gogolin ist eine typische schlesische Kleinstadt - sauber und nett. Hier wurde vor 14 Jahren die erste Organisation der Deutschen gegründet. Über 12 Jahre hindurch war hier Norbert Urbaniec Bürgermeister. Trotz seiner deutschen Abstammung bekam er in diesem Jahr keine Unterstützung der deutschen Minderheit, die einen eigenen Kandidaten, Joachim Wojtala, aufstellte. Auf diese Weise ist ein "Bruderkrieg" um den Bürgermeistersessel ausgebrochen. Bei den Wahlen sprachen sich jedoch fast 70 Prozent der Wähler für den neuen Kandidaten aus. (...)

Herbert Stanek war einer der ersten Aktivisten der deutschen Minderheit. Heute ist er 75 Jahre alt und Rentner. "Anfang der neunziger Jahre war die Zeit der Revolution. Jetzt ist der Enthusiasmus etwas zurückgegangen und es kam die Zeit der Entwicklung. Als ich 1989 den deutschen Pass beantragt habe, sagte ich niemandem etwas davon, nicht einmal meinem besten Freund. Heute haben fast 50 Prozent der Bewohner von Gogolin deutsche Pässe. Heute ist der Beitritt Polens zur EU das Wichtigste für die deutsche Minderheit. Ich habe immer gute Kontakte zu Polen gehabt." (...) sagt Herbert Stanek.

Die Ortschaft Kamien Slaski (Groß Stein) gehörte früher der polnischen Magnatenfamilie Odrowaz. Jetzt bilden Polen-Deutsche die Mehrheit hier. (...) Am Ende dieses Dorfes arbeitet (...) der Chef des Wahlkomitees der deutschen Minderheit Jan Lenort in einem kleinen Büro.

"Wir sind in 31 Gemeinden als Sieger aus den Wahlen hervorgegangen. In 24 Gemeinden gibt es einen deutschen Bürgermeister oder Ortsvorsteher. (...) Unsere wichtigste Aufgabe ist mit der Pflege der eigenen Identität verbunden, d.h. es handelt sich dabei um die Pflege der Kultur, der Sprache und der Tradition. Dafür müssen sich einfach Gelder finden. Der Innenminister erließ bereits entsprechende Gesetze, die es ermöglichen, Aufschriften in zwei Sprachen einzuführen. Wir warten jedoch ab, weil alles rechtmäßig und ruhig stattfinden muss. In der Region Opole gibt es eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Etwa 60 000 Menschen und nach anderen Schätzungen sogar 100 000 Menschen aus unserer Region arbeiten in Deutschland. Wir bereiten uns schon auf das Referendum über den Beitritt Polens zur EU vor. Nach der Aufnahme Polens würden wir uns wünschen, dass alle unsere Landsleute, die für immer nach Deutschland übersiedelten, wieder zu uns zurück kommen und hier ihre Firmen eröffnen. Dafür brauchen wir jedoch entsprechende Bedingungen. Die deutsche Minderheit kämpft gegen niemanden und möchte auch nichts beweisen. Wir möchten nur in unserem Land ruhig und friedlich leben können", sagt Jan Lenort. (...)

Die Basis des Wahlkomitees der Partei Liga Polnischer Familien befindet sich in Kedzierzyn Kozle: "Die Deutschen verlangen zweisprachige Aufschriften, unterstützen revisionistische Ansichten von Erika Steinbach und sind Nationalisten", sagt Edward R., der trotz der Überzeugungsversuche seiner Parteikameraden aus Warschau seinen Nachnamen nicht preisgeben will. (...)

"Wenn sie (die Leute aus der eigenen Partei – MD) aus Warschau hierher kommen, werde ich mit ihnen Tacheles reden", sagt der Abgeordnete Zygmunt Wrzodak. "Sie müssten mehr Mut aufbringen, weil schwere Zeiten auf uns zu kommen. In der Region Opole sind die Polen zersplittert und die Deutschen vereint. Ein Deutscher wird immer den Deutschen dienen und das ist sehr gefährlich. Aus diesem Grunde müssen wir um die Kinder aus den gemischten Ehen kämpfen. Die deutsche Minderheit behauptet zwar, dass sie loyal gegenüber unserem Staat sei, aber nach dem Beitritt Polens zur EU werden ihre Vertreter loyal gegenüber Deutschland werden. Schon heute bilden sie die "fünfte Kolonne". (...) Wir wissen genau, dass ihr wirkliches Ziel darin besteht, dieses Land erneut Deutschland anzugliedern. Sie behaupten, dass sie die Eingeborenen sind. In Wirklichkeit aber sind sie zugezogen und stammen von denen, die damals dieses Land von Polen abgetrennt haben. Sie sollten von hier weg ziehen. Die nationale Identität der Polen muss aus diesem Grunde gesteigert werden und auf dem Glauben beruhen, auch angesichts der Tatsache, dass viele Priester in der Region Opole deutsche Wurzeln haben und sich gegen die Interessen Polens äußern", sagte Edward R. (Sta)