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Kampf um die Mieterstimmen

Naomi Conrad 28. Januar 2013

Die SPD will bezahlbare Mieten zum Wahlkampfthema machen. Mieter und Vermieter begrüßen zwar die Idee an sich - nicht aber die konkreten Vorschläge. Gefordert wird hingegen mehr Wohnraum.

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Neubau © VRD #31440190 - Fotolia.com Themenbild schrumpfende Mittelschicht in Deutschland . Glückliche Familie mit Eigenheim und Auto
Symbolbild Mittelschicht EigenheimBild: Fotolia/VRD

"Es droht eine neue soziale Frage", so Peer Steinbrück, der Kanzlerkandidat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), mit Blick auf den Wohnungsmarkt in Deutschland: Vor allem in den Städten spitze sich die Lage zu - gute Wohnungen dürften aber nicht zum Luxusgut werden. Die SPD hat bezahlbare Mieten zum Wahlkampfthema gemacht – und verspricht eine ganze Palette von Maßnahmen, wenn sie die Bundestagswahl im Herbst gewinnt: darunter eine Deckelung der Mieterhöhungen und der Beteiligung, die Mieter für Sanierungsarbeiten zahlen müssen, sowie eine bessere Förderung von Genossenschaftsprojekten.

Alles "ganz nette Vorschläge", findet Claus Deese vom Mieterschutzbund, schließlich würden in manchen Gegenden die Mieten "rasant" ansteigen. Vor allem die Förderung von Genossenschaftswohnungen, also kollektiven Wohnprojekten, in denen die Mieter auch gleichzeitig Miteigentümer sind, findet er eine gute Idee. Aber: "Die Maßnahmen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Das eigentliche Problem in Deutschland würde davon gar nicht berührt: Der Mietpreisspiegel. In Deutschland herrscht ein Vergleichssystem: Kommunen und Städte ermitteln alle vier Jahre die örtliche Durchschnittsmiete, Vermieter dürfen ihre Mieten nur zu einem bestimmten Prozentsatz im Vergleich zum Mietspiegel anheben. Die SPD möchte diese Anhebung von den derzeitigen erlaubten 20 Prozent über Ortstarif auf 10 Prozent "deckeln".

Papierzettel mit Wohnungsgesuchen hängen an einem Laternenmast in München (Oberbayern). Foto: Peter Kneffel dpa/lby
Bezahlbaren Wohnraum zu finden wird vor allem in Großstädten wie München zunehmend schwierigBild: picture-alliance/dpa

Alles eine Frage der Berechnung?

Doch im Mietspiegel, so Deese, würden derzeit nur die Mieten berücksichtigt, die neu vereinbart oder verändert - soll heißen: in den meisten Fällen angehoben wurden. "Dieses System führt dazu, dass die Mieten kontinuierlich steigen", sagt Deese - obwohl viele Mieten seit Jahrzehnten gleich geblieben seien, aber eben im Mietspiegel nicht berücksichtigt würden. Er spricht von einem "perpetuum mobile" bei der Miete. In den dreißig Jahren, in denen er beim Mieterschutzbund arbeite, sei der Mietspiegel nur gestiegen - nie gesunken. Er fordert deshalb eine Vergleichsmiete, in der alle Mieten erfasst sind.

Auch Kai Warnecke von "Haus und Grund", der Interessensvertretung von Hauseigentümern und Vermietern, kritisiert die Vorschläge der SPD. "Die Mietbremse führt letztlich nur dazu, dass es unattraktiv wird, neuen Wohnraum zu bauen", sagt Warnecke. Dabei sei neuer Wohnraum doch genau das, was Deutschland brauche. "Wenn die Kosten-Deckelung kommt, wird schlicht und einfach niemand investieren." Dann würde sich die Investition in den Wohnungsbau einfach nicht mehr rentieren.

Ballungszentren betroffen

Dabei braucht Deutschland, da sind sich Warnecke und Deese einig, mehr Wohnraum - zumindest in den Ballungsgegenden, in denen zum Teil akuter Wohnungsmangel herrscht, also vor allem in Großstädten wie München, Hamburg, oder Stuttgart. Dort seien die Mieten in den letzten Jahren gestiegen, sagt auch Warnecke vom Verband Haus und Grund. Insgesamt allerdings seien in Deutschland die Mieten in den vergangenen zehn Jahren sogar gesunken, der Mietzuwachs liege im Durchschnitt unter der Inflationsrate. Denn in vielen ländlichen Gegenden und in Ostdeutschland stünden Wohnungen frei, für die sich keine Mieter finden liessen.

Herr Claus Deese vom Mieterschutzbund. Foto: privat Zulieferer: Naomi Conrad, 22.01.2013.
Deese fordert mehr SozialwohnungenBild: privat

Deese fordert deshalb in den Ballungszentren mehr sozialen Wohnungsbau mit einer längeren "Sozialbindung", soll heißen: erschwingliche Wohnungen, die längere Zeit vom Kapitalmarkt abgekoppelt sind. Denn oft würden Sozialwohnungen nach 30 Jahren von Investoren weiterverkauft - und damit wieder "unerschwinglich" für sozial schwache Menschen. Schließlich seien Wohnungen keine Luxusgüter: "Ich kann auf einen Fernseher verzichten, nicht aber auf eine Wohnung", sagt Deese, der selbst Mieter ist.

Dass Mieten überhaupt ein Wahlkampfthema sind, mag vielleicht verwundern: Im europäischen Vergleich liegen die in Deutschland unter dem Durchschnitt: In Europa wurden 2011 laut Eurostat, dem europäischen Statistikamt, knapp 25 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für Mieten ausgegeben, in Deutschland waren es 22,1 Prozent - in Dänemark sogar über 30 Prozent.