1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kandidaten, Kampagnen, Kosmetik

Vanessa Fischer22. Oktober 2002

"Kanzler der Mitte" gegen "kantig und echt", "Kampa" gegen "Arena", Kompetenzteam versus Personenwahlkampf. Schwer gerüstet stehen sich die CDU und SPD gegenüber. Ein Blick auf die Wahlkampfstrategien beider Parteien.

https://p.dw.com/p/2XFX
Das Duell: Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) gegen Bundeskanzler Schröder (SPD)Bild: AP

Vorbei sind die Zeiten als man sich in deutschen Wahlkämpfen noch auf Plakattieren, Kundgebungen und Infostände beschränkte. Politikberater, PR-Profis, sogenannte Spin Doctors und andere spezialisierte Wahlhelfer haben in Deutschland Hochkonjunktur, und sie gründen zunehmend auch neue Berufsgruppen.

Diese Tendenz zum professionalisierten Wahlkampf ist zwar nicht ganz neu. In die öffentliche Wahrnehmung rückte er aber erst im Wahljahr 1998 mit der medienwirksamen Inszenierung der SPD-Wahlkampfzentrale "Kampa".

Bushs Wahlkampfmanager in der "Arena"

Vier Jahre später hat nun auch die CDU in Sachen Campaigning schwer aufgerüstet und gelernt, unter anderem von der SPD. Wahlkampfmanager des amerikanischen Präsidenten belehrten die "Arena-Helfer" in Seminaren. Ein Medienprofi wurde als offizieller PR-Berater des Kandidaten ins Boot geholt - das Profil Stoibers auf das Merkmal des kompetenten Aktenlesers geschliffen, im Gegensatz zu dem des Generalisten und Modernisierers Schröder.

Beide Parteien überschlagen sich geradezu im Eröffnen neuer Internetportale, darunter die sogenannten Rapid-Response-Plattformen: Die schnelle Antwort auf Gegnerattacken. Wird der Wahlkampf in Deutschland immer amerikanischer?

"Unsinn" sagt Matthias Machnig, Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager der SPD, "die meisten, die darüber reden, haben noch nie einen amerikanischen Wahlkampf erlebt. Da gibt es so viele Differenzen, vom Wahlsystem über die Medienlandschaft, bis zur Bedeutung der Parteien".

Generalsekretär Laurenz Meyer betont, die Union habe ja mit ihrem inhaltlich geprägten Kompetenzteamwahlkampf geradezu die Abkehr von der amerikanischen, stark personalisierten Strategie vollzogen. "Wir wollen damit einen Gegensatz zur SPD setzen, die ja alles nur auf der Person Schröder aufbaut", so Meyer.

"Gute mediale Gefechtstaktik"

Prof. Thomas Faist, Leiter des neuen internationalen Studiengangs Politikmanagement an der Hochschule Bremen, nennt diese Argumentation eine "gute mediale Gefechtstaktik". Schließlich sei Al Gore im Wahlkampf gegen George Bush Jr. auch einen Kompetenzwahlkampf gefahren; außerdem setze die CDU keineswegs stärker auf Themen als die SPD.

Wahlprogramme interessieren bekanntlich die wenigsten Bürger. Umfragen zufolge zählt vor allem eins: Kann der Kandidat bestimmte Probleme anpacken oder nicht. "Die Kompetenzzuweisung spielt eine ebenso wichtige Rolle wie die Sympathie. Das hat die CDU geschickt in ihrem Schlagwort Kompetenzteam aufgegriffen", erklärt Faist.

Und im Übrigen haben natürlich beide großen Parteien, was ihre Kampagnen betrifft, abgeguckt. Insbesondere von den USA. Faist nennt zwei Aspekte an denen sich dieser Trend festmachen lässt: Zum einen der Personalisierungstrend, was aber nicht bedeutet, dass die Themen wegfallen. Und zum anderen die mediale Orientierung. "Die fehlende innerparteiliche Kommunikation wird durch eine Kommunikation nach außen verlagert, obwohl erstere genauso wichtig ist, um eine Wahl zu gewinnen".

Schachzug: Seiteneinsteiger

Die Herausforderung vor die sich beide Parteien gestellt sehen ist, einerseits die Stammwähler bedienen und mobilisieren zu müssen und andererseits, den größer werdenden Anteil an Wechselwählern anzusprechen.

Auch diese Realität bedingt den stärker werdenden Trend zur Personalisierung, so Faist. Im Fall der CDU etwa mit der Berufung von Katharina Reiche als Familienbeauftragte in das Stoiber-Kompetenzteam. "Hier werden Seiteneinsteiger rekrutiert, um argumentieren zu können, dass man - gerade weil diese berücksichtigt werden - kompetenz- und parteiübergreifend mobilisieren kann."

Ein Balanceakt, bei dem die Kampagnen zwangsläufig an Profil einbüßen und der es bei aller Professionalisierung immer schwieriger macht, durch Wahlkämpfe Wähler zu überzeugen.