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Kapitaler Fehler

Peter Philipp12. September 2003

Israel hat die Ausweisung Arafats aus den Palästinensergebieten beschlossen. Sollte dies umgesetzt werden, wäre dies rechtswidrig und kontraproduktiv für den Frieden in Nahost - meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Palästinenserpräsident Jassir Arafat sei Teil des Problems, meint man in Washington. Und dennoch warnt man Israel einen Beschluss umzusetzen, den das Jerusalemer Sicherheitskabinett in der Nacht zum Freitag (12.9.2003) fasste: Arafat solle bei nächstbester Gelegenheit deportiert werden. In Washington scheint man klarer als in Jerusalem zu erkennen, welch kapitaler Fehler solch eine Maßnahme wäre. Die ersten Solidaritätskundgebungen der Palästinenser für ihren Führer lassen erahnen, was kommen könnte, wenn Israel die Drohung wahr macht.

Eine Deportation des PLO-Chefs hätte nicht nur eine Eskalation in den palästinensischen Gebieten zur Folge. Sie wäre auch ein weiterer schwerer Verstoß gegen internationales Recht und gegen bilaterale Verträge, die Israel mit den Palästinensern geschlossen hat: Internationales Recht wäre gebrochen, weil es einer Besatzungsmacht laut einer internationalen Konvention untersagt ist, Einwohner der besetzten Gebiete auszuweisen. Bilaterale Abkommen würden grob verletzt, weil Arafat sich auf Grund der vor fast genau zehn Jahren unterzeichneten Osloer Verträge (13.9.1993) in Palästina aufhält.

Sind die Oslo-Verträge weiter gültig?

Was die Genfer Konvention über die Modalitäten einer Besatzung betrifft, so hat Israel über die Jahre immer wieder zu argumentieren versucht, diese sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die palästinensischen Gebiete vor ihrer Eroberung durch Israel 1967 völkerrechtlich nicht zu einem bestimmten Staat gehörten. Eine Interpretation, die im Ausland anders gesehen wird - natürlich erst recht von den Palästinensern. Und bilateral ist man seit einiger Zeit in der israelischen Regierung der Meinung, die Oslo-Abkommen - die vom jetzigen Regierungschef Ariel Scharon und Freunden abgelehnt worden waren - seien längst von der Realität überholt worden.

Israelische Staatsrechtler argumentieren freilich anders: Die Oslo-Verträge seien weiterhin gültig, selbst wenn sich niemand an sie halte. Sie könnten nicht einseitig aufgekündigt werden - und diese israelische Regierung müsse sich natürlich auch an die Verträge halten, die damals von der heutigen Opposition geschlossen worden waren.

Trauriges Jubiläum

Zehn Jahre nach Oslo - das ist für alle Beteiligten ein trauriges Jubiläum. Denn: Was ist aus der Euphorie jenes 13. September 1993 geworden? Ein blutiger Kleinkrieg, mit Terroranschlägen, gezielten Liquidierungen, Morddrohungen und Tausenden von Toten und Verletzten. Das israelisch-palästinensische Verhältnis ist heute weit schlechter als zu den Zeiten, als Israel und die PLO noch nicht offiziell miteinander sprachen und ein Abkommen zwischen beiden undenkbar schien.

Trotzdem: Die Geschichte der Region zeigt immer wieder, dass gerade dann eine Lösungsmöglichkeit sich auftut, wenn die Situation am ausweglosesten erscheint. Hoffen wir, dass es auch diesmal so ist.