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Bischofskonferenz wählt neuen Vorsitzenden

Christoph Strack12. März 2014

Kardinal Reinhard Marx ist sechs Jahre nach seinem ersten Anlauf der neue Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Trotz vieler Ämter strahlt er eine eigene Zuversicht und Gelassenheit aus.

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Reinhard Marx nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der deutschen Bischofskonferenz am 12.03.2014 (Foto: pa/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Er war der Favorit auf den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz. So sehr, dass viele Beobachter schon wieder an seiner Wahl zweifelten. Nun ist Kardinal Reinhard Marx, der 60-jährige Erzbischof von München-Freising, das Gesicht der katholischen Kirche Deutschlands. Die Vollversammlung der deutschen Bischöfe wählte den gebürtigen Westfalen am Mittwoch (12.03.2014) in Münster zum Nachfolger des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch (75).

Auch wenn es für dieses Amt keine offizielle Kandidatenbenennung und keinen Wahlkampf gibt: Bereits vor sechs Jahren galt Marx nach dem gesundheitsbedingten Rücktritt von Kardinal Karl Lehmann als Top-Favorit für den Vorsitz der Konferenz, der 27 Ortsbischöfe und knapp 40 Weihbischöfe angehören. Deren damalige Entscheidung galt mindestens so sehr als Bedenken gegen Marx wie als Votum für Zollitsch.

Dass sie den Münchener Kardinal nun doch wählten, zeigt, wie sehr dieser in den vergangenen Jahren geschuftet und was er geleistet hat. Er selbst sprach dann auch von einer "ehrlichen Wahl", wurde er doch erst im vierten Wahlgang und dann mit absoluter, nicht mit Zweidrittel-Mehrheit gewählt. So lange brauchte in den letzten 25 Jahren keine einzige Wahl eines Vorsitzenden. Und ein Votum von knapp 60 Prozent spricht am Ende für sich.

Ämterfülle

Das liegt an den unterschiedlichen Ausrichtungen im Kreis der Bischöfe, von denen einige ausgesprochen konservativ, wenige wirklich liberal sind und doch die meisten als Bischöfe nah bei den Gläubigen sein wollen. Die Bedenken gegen Marx vor dessen Wahl waren in erster Linie seiner "Ämterfülle" geschuldet. Marx ist Erzbischof von München-Freising, eine der weltweit reichsten Diözesen, er leitet die wichtige Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der deutschen Bischöfe, ist Vorsitzender der Bayerischen Bischofskonferenz, Mitglied des Kardinalskollegiums, Vorsitzender der EU-Bischofskommission COMECE. Auf weltkirchlicher Ebene gehört er dem Rat von acht Kardinälen (K8) an, den der Papst zur Beratung von Reformthemen eingesetzt hat. Und seit wenigen Tagen ist er als Koordinator des neuen vatikanischen Wirtschaftsrates so etwas wie der Aufsichtsratsvorsitzende des kompletten vatikanischen Finanzwesens.

Reinhard Marx und Robert Zollitsch Bischofskonferenz PK 12.03.2014
Generationswechsel: Kardinal Reinhard Marx (re.) und sein Vorgänger, Erzbischof Robert ZollitschBild: Reuters

Doch Marx hat seine ihm eigene Gelassenheit. Das neue Amt sei für ihn eine weitere Herausforderung, sagte er nach seiner Wahl. Mancher Journalist habe ja im Vorfeld deshalb auch Bedenken formuliert. "Aber man kann ja auch Aufgaben abgeben." Er sei da doch "kein Sammler und Jäger". Immerhin zeigt die Vielfalt der Ämter, dass Marx sich nicht drückt vor Verantwortung und dass er für jede Aufgabe Statur hat. Die deutsche Politik hat in ihm gewiss auch eher ein gesellschaftspolitisch denkendes Gegenüber. So kennt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihn seit langem; gelegentlich war der Sozialethiker Marx im Konrad-Adenauer-Haus zu Gast.

Der Erzbischof von München in Vollem Ornat Archivbild
Der Erzbischof von München in vollem OrnatBild: Getty Images

"Habt keine Angst"

Am Morgen vor der Wahl predigte Marx im Kreise der Bischöfe im Münsteraner Paulus-Dom. Ohne Manuskript, eine geistliche Ansprache, ausgerichtet am Lesungstext, und doch hineinsprechend in die Situation der Bischöfe. Denn die stecken nach einem Jahr mit Papst Franziskus und diversen Jahren voller Skandale zwischen Verzagtheit, Frust und neuer Zuversicht. Zum Ende der Predigt erinnerte er an die Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II., die Franziskus beide Ende April heilig sprechen wird. Kirche stehe nicht für "Unheilsprophetie, Apokalyptik und Skepsis", sondern sage "den Menschen die Liebe Gottes zu", zitierte er den einen. "Habt keine Angst", lautete das Zitat des anderen.

Seitdem Marx alle paar Monate in Rom Papst Franziskus trifft, scheint er von ihm infiziert. Immerhin kommt dessen Lehrschreiben "Evangelii Gaudium" (Freude des Evangeliums) in den meisten seiner Reden und Interviews vor. Seit seiner Bischofsweihe 1996 lautet sein Wahlspruch: "Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit". Freiheit mag der Kernbegriff des Marx'schen Menschenbildes sein, im politischen wie im geistlichen Denken.

Limburg und andere Baustellen

Gleich die zweite Frage aus dem Kreis der weit über 100 Journalisten galt der Bewertung der Limburger Skandalgeschichte um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Er kenne den Bericht nicht, den sein Vorgänger Zollitsch vor zehn Tagen in Rom abgegeben habe, betonte er. "Das muss man abwarten." Aber Limburg sei nicht die einzige Nachricht über die katholische Kirche. Die sonstigen medialen Topp-Themen - weitere Aufarbeitung der kirchlichen Geschichte mit sexueller Gewalt, der Umgang mit Geld und Reichtum, die Stärkung der katholischen Präsenz im politischen Berlin, Reformfragen wie die Rolle der Frau in der Kirche, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen oder die Folgen des Priestermangels - kennt Marx. Und er musste da auch seine Erfahrungen sammeln. Als 2010 der Missbrauchsskandal hochkochte, griff Marx im bayerischen Benediktinerkloster Ettal rasch rigoros durch. Zu rigoros, wie sich im Verlauf der Aufarbeitung zeigte.

Bei der von Franziskus angeregten Stärkung der Ortskirchen gegenüber der römischen Zentrale sei "der Geist aus der Flasche", so der neue Vorsitzende der Konferenz. Wieder ein starkes Wort, das erst noch institutionell gefüllt werden muss - aber doch ein starkes Wort und eine Richtung. Zu den Stärken des gelernten Sozialethikers Marx gehört auch die Vielfalt seiner Erfahrungen in deutschen Ortskirchen: Er war seit 1996 Weihbischof in seinem tiefschwarzen Heimatbistum Paderborn im ländlichen Westfalen, wurde 2001 Bischof im beschaulich schönen Trier mit einer kirchlich unruhigen Klientel, dann 2008 Erzbischof in München. Er sei "mit großer Freude Westfale und stolz auf seine Heimat", sei mit Begeisterung an der Mosel gewesen, so Marx. Aber heute gelte: "Bayern ist stark".

Deutschland Kirche Reinhard Marx stellt Buch Das Kapital vor
"Katholischer Marxismus" im KapitalismusBild: AP