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Kartellwächter greifen härter durch

15. April 2011

Unternehmen müssen immer öfter horrende Summen zahlen, weil sie gegen das Kartellrecht verstoßen. Sind die Kartellwächter Störenfriede oder Hüter des Wettbewerbs?

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Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts (Foto: picture-alliance)
Andreas Mundt, Präsident des BundeskartellamtsBild: picture-alliance

Sprechen mehrere Unternehmen ihr Verhalten auf dem Markt ab, um dadurch den Wettbewerb einzuschränken oder auszuschalten, dann spricht man von einem Kartell. Kartelle sind illegal, denn sie führen zu überhöhten Preisen bei meistens sinkender Produktqualität und schaden damit der Wirtschaft und vor allem dem Verbraucher. In Deutschland verfolgt und ahndet das Bundeskartellamt solche Wettbewerbsverstöße. Damit machen sich seine rund 320 Mitarbeiter bei jenen Unternehmen, die gegen das Kartellrecht verstoßen, nicht gerade beliebt, wie Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts bemerkt: "Da werden Mitarbeiter des Bundeskartellamts in öffentlichen Veranstaltungen als Schergen bezeichnet." Settlement-Gespräche, also Gespräche zur einvernehmlichen Beendigung von Bußgeldverfahren, die die Kartellwächter mit den Unternehmen führen, würden von den Unternehmen im Nachhinein in den Bereich der strafrechtlich relevanten Nötigung gerückt und in der Presse lanciert, sagt Mundt weiter.

Verfechter des Wettbewerbs

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (Foto: dapd)
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gilt als Verfechter des fairen WettbewerbsBild: dapd

Selbst bei ganz klaren Verstößen, so klagt Mundt, sähen viele Unternehmen oft nicht ein, dass sie sich mit ihrem Verhalten strafbar gemacht hätten. Allerdings ist es natürlich auch sehr verlockend, dem Wettbewerbsdruck auf diese Art zu entgehen. Das weiß auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle: "Wettbewerb macht Druck auf Unternehmen, sich anzustrengen. Sie müssen ihre Produkte und Preise ständig optimieren. Nur so können sie Kunden halten und neue Kunden gewinnen."

Brüderle gilt als strikter Verfechter des freien Wettbewerbs und unterstützt daher die Tendenz zu immer härteren Strafen. Ein Unternehmen, das der Kartellbildung überführt wird, muss heute damit rechnen, bis zu zehn Prozent seines gesamten Umsatzes als Bußgeld zahlen zu müssen. Die Unternehmen finden das völlig überzogen - doch die Kartellwächter kennen kein Pardon, egal ob sie in Deutschland oder in Brüssel sitzen. Denn wenn beispielsweise ein Verstoß in mehr als drei Mitgliedsstaaten der EU vorliegt, dann sind nicht mehr die nationalen Behörden zuständig, sondern die EU-Kommission. Im vergangenen Jahr entschied sie in sieben Fällen und verhängte Bußgelder in Höhe von drei Milliarden Euro.

Prominente Täter

Kaffebohnen (Foto: AP)
Das Bundeskartellamt hatte 2010 gegen acht namhafte Kaffeeröster Bussgelder in Millionenhöhe verhängtBild: AP

Jüngst wurden die Waschmittelhersteller Henkel, Procter & Gamble und Unilever überführt. Die Konzerne hatten drei Jahre lang die Preise in acht europäischen Ländern abgesprochen. Das Verfahren gegen sie dauerte nur eineinhalb Jahre, weil die Unternehmen sich ohne Gerichtsverhandlung mit den Wettbewerbshütern einigten.

Für EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia ist das zukunftsweisend, auch weil die Behörden immer mehr Fälle zu bearbeiten haben: "Einvernehmliche Beendigungen von Verfahren sind eine gute Option für beide Seiten, nicht nur für die beteiligten Unternehmen. Wir können die Verfahren abkürzen und zu schnelleren Entscheidungen kommen." Zudem dürfe man nicht vergessen, dass Unternehmen, die ihre Beteiligung an dem Kartell zugeben, zehn Prozent der Strafe erlassen werden, so Almunia.

Kooperation auf der EU-Ebene

Joaquin Almunia, EU-Kommissar für Wettbewerb (Foto: EU-Kommission)
Der Spanier Joaquin Almunia hält die Fahne des Wettbewerbs auf der EU-Ebene hochBild: EU Kommission

315 Millionen Euro sollen Unilever und Procter & Gamble zahlen. Das Düsseldorfer Unternehmen Henkel hingegen geht straffrei aus, weil das Unternehmen sich selbst beim Bundeskartellamt angezeigt und das Kartell damit überhaupt erst aufgedeckt hatte. Seit dem Jahr 2000 gibt es in Deutschland die sogenannte Kronzeugenregelung. Henkel konnte davon profitieren, auch wenn der Fall von der EU-Kommission entschieden wurde. Die Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen halten die europäischen Wettbewerbshüter schon lange nicht mehr davon ab, über Landesgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, wie EU-Kommissar Almunia sagt: "Ich lade unsere nationalen Behörden ein, trotz der unterschiedlichen Rechtssysteme noch pragmatischer bei der weltweiten Verfolgung der Kartelle zusammenzuarbeiten." Nach dem Motto: Vorbeugung, wo möglich; Zerschlagung und Unterdrückung, wo nötig.

Ein Welt-Kartellamt?

Dieser Meinung ist auch Bundeswirtschaftsminister Brüderle, er geht aber noch einen Schritt weiter: "Ich träume von einem Welt-Kartellamt, so dass man auch international zu Regeln kommt, die greifen." Allen Versuchen und Tendenzen zur Konzentration von Macht müsse energisch entgegengewirkt werden, fordert Brüderle.

Am besten, so Brüderle, wäre es doch, sich bei der WTO, also der Welthandelsorganisation, auf gemeinsame Regeln zu verständigen. Doch dort sind die Verhandlungen darüber so festgefahren, dass der Wunsch des deutschen Ministers wohl noch lange nur ein Traum bleiben wird.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Zhang Danhong