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Kasachische Opposition: Verstöße am Wahltag

8. Dezember 2005

Nach Angaben der Wahlstäbe der Kandidaten Scharmachan Tujakbaj und Alichan Bajmenow hat die kasachische Staatsmacht während der Präsidentenwahl das Wahlgesetz verletzt. Oppositionsvertreter berichten über einzelne Fälle.

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Verstöße zu seinen Gunsten? Kasachischer Präsident NasarbajewBild: AP

Wie bei den Wahlen zum Unterhaus des kasachischen Parlaments im Jahr 2004 seien auch bei der jetzigen Präsidentschaftswahl dieselben Verstöße festgestellt worden, teilten die Wahlstäbe der Präsidentschaftskandidaten Scharmachan Tujakbaj und Alichan Bajmenow mit. Am Wahltag seien zusätzliche Wählerlisten erstellt und Stimmzettel ohne Prüfung von Dokumenten ausgegeben worden. Außerdem seien massenweise Stimmzettel in die Wahlurnen geworfen worden. Beobachtern sei untersagt worden, Wahllokale aufzusuchen. Auch seien Mitglieder von Wahlkommissionen von Vertretern lokaler Behörden unter Druck gesetzt worden. Ferner habe die Regierungspartei Otan am Wahltag vor den Wahllokalen an die Wähler Geschenke verteilt.

Prügel vor dem Wahllokal

Neben den schon „traditionellen“ Verstößen gegen das Wahlgesetz stellten Vertreter der Opposition Methoden fest, die bisher in Kasachstan nicht angewandt wurden. In einem Interview für die Deutsche Welle berichtete der Mitarbeiter des Oppositionskandidaten Tujakbaj, Altynbek Sarsenbajew, über einen Zwischenfall am Wahltag: „Leider kam es zu einem ernsthaften Konflikt. Im Gebiet Ost-Kasachstan wurde unser Wahlbeobachter, ein Aktivist unserer Bewegung, verprügelt. Er wurde geschlagen und als ‚eifriger Oppositioneller‘ beschimpft. Dies hat ganz klar einen politischen Hintergrund. All dies haben wir aufgezeichnet. Das Material haben wir der Staatsanwaltschaft und Polizei übergeben. Der Zwischenfall ereignete sich am Ausgang des Wahllokals.“

Oppositions-Büro gestürmt

Der Mitarbeiter von Tujakbajs Wahlstab, Bulat Abilow, berichtete auf einer Pressekonferenz in Almaty über einen anderen Zwischenfall am Wahltag, bei dem die Gesetze des Landes verletzt wurden: „Um 24 Uhr stürmten Mitarbeiter der Polizei und der Staatsanwaltschaft im Abaj-Bezirk der Stadt Tschimkent im Gebiet Süd-Kasachstan das Büro des regionalen Stabs der Bewegung Für ein gerechtes Kasachstan. Sie nahmen dort 12 Personen fest, darunter auch die Koordinatorin in jenem Bezirk, Sarsenova Aigul. Die Mitarbeiter der Rechtschutzorgane beschlagnahmten in Abwesenheit der Mitarbeiter und Aktivisten des Stabs Dokumente, sie durchsuchten Safes und Schränke. Dabei durften die Festgenommenen weder Angehörige oder Bekannte noch die Gebietsleitung des Stabs benachrichtigen. Auch durften sie keine Anwälte hinzuziehen. Von allen Festgenommenen wurden Fingerabdrücke genommen, wie bei Straftätern. Sie wurden bis 17 Uhr festgehalten.“ Abilow zufolge musste wegen des gesetzwidrigen Vorgehens der Rechtschutzorgane die Bewegung Für ein gerechtes Kasachstan kurzfristig zur Wahlbeobachtung andere Personen mobilisieren, wodurch der Zeitplan der Arbeit des Wahlstabs des Kandidaten Tujakbaj im Gebiet Süd-Kasachstan zeitweise gestört wurde.

Nasarbajews Werbung am Wahltag

Der Wahlstab des Führers der gemäßigt oppositionellen Partei Ak Schol, Alichan Bajmenow, zeigte sich ebenfalls empört über das Vorgehen des kasachischen Staatsoberhauptes Nursultan Nasarbajew. Er habe trotz mehrfacher Zusagen, faire Wahlen durchzuführen, selbst gegen das Wahlgesetz des Landes verstoßen. Nach Ansicht von Bajmenows Wahlstabs hat Nasarbajew beim Verlassen des Wahllokals die kasachischen Wähler aufgefordert, für ihn zu stimmen. Seine Erklärung, eine Wiederholung aus seinem Wahlkampf, sei praktisch von allen landesweiten Medien verbreitet worden.

Staatsanwaltschaft lehnt Beweise ab

Nach Angaben der Wahlstäbe von Tujakbaj und Bajmenow wurden alle Verstöße gegen das Wahlgesetz des Landes während der Präsidentenwahl dokumentiert. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes lehne aber die von den beiden Wahlstäben vorgelegten Beweise ab. Es ist damit zu rechnen, dass die Wahl weder von den Anhängern des Kandidaten der Oppositionsbewegung Für ein gerechtes Kasachstan noch von den Anhängern des Vorsitzenden der Partei Ak Schol als legitim anerkannt wird. Kasachische Politikwissenschaftler gehen davon aus, dass in nächster Zeit das Land eine Welle gegenseitiger Anschuldigungen erfassen wird.

Anatolij Weißkopf, Almaty

DW-RADIO/Russisch, 4.12.2005, Fokus Ost-Südost