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Kasachstan: Präsident löst Parlament auf

21. Juni 2007

Nachdem das Parlament Änderungen am Regierungssystem vorgenommen hatte, wurde dessen Unterhaus von Nursultan Nasarbajew aufgelöst. Kritiker werfen ihm vor, mit der "Reform" seine autoritäre Herrschaft festigen zu wollen.

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Nursultan Nasarabajew baut seine Macht weiter ausBild: AP

Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat am 20. Juni den Madschlis, das Unterhaus des Parlaments, das im Herbst 2004 für fünf Jahre gewählt worden war, vorzeitig aufgelöst und für den 18. August Neuwahlen angesetzt. Seinen Beschluss begründet er mit dem Ersuchen einer Gruppe von Abgeordneten. Diese hatten am 19. Juni während einer Sitzung im Parlament erklärt, sie wollten der Umsetzung der politischen Reform nicht im Wege stehen. Unter eine entsprechende Deklaration setzten mehr als 50 der 77 Madschlis-Abgeordneten ihre Unterschrift.

Das Unterhaus des Parlaments hat nicht das Recht, sich selbst aufzulösen. Dieses Recht gewährte das Parlament dem Präsidenten. Am 18. Juni hatte es auf einer Sitzung beider Kammern innerhalb weniger Stunden praktisch ohne eine Debatte fast einstimmig mit Gesetzesänderungen über die künftige politische Ordnung des Landes entschieden. Die kasachische Justizministerin Sagipa Balijewa, die den Abgeordneten beider Kammern die Änderungen vorgestellt hatte, betonte, die Möglichkeiten des Parlaments würden erweitert.

Neuregelungen im Parlament

Gemäß den Änderungen des Gesetzes "Über das Parlament" wird die Anzahl der Abgeordneten von 116 auf 154 erhöht, wobei 15 Senats-Mitglieder künftig vom Präsidenten des Landes ernannt werden. Neun Madschlis-Abgeordnete werden in Zukunft von der "Versammlung der Völker Kasachstan" gewählt, die bislang keinen Einfluss auf das gesellschaftspolitische Leben in Kasachstan hatte.

Geregelt wurde ferner der Fall, wenn das Parlament vorzeitig seine Arbeit beendet. Dann erhält das Oberhaus des Parlaments, der Senat, das Recht, ohne das Unterhaus, den Madschlis, selbständig Gesetze zu verabschieden, darunter auch solche von Verfassungsrang. Festgelegt wurde zudem das Verfahren eines Misstrauensvotums des Madschlis gegenüber der Regierung. Demnach ist das Ministerkabinett gegenüber dem Parlament verantwortlich.

Kontrolle über Schlüsselministerien

Zu beachten sind ferner die Änderungen des Gesetzes "Über die Regierung". Von nun an kann der Premierminister keine Kandidaten für das Amt des Verteidigungs-, des Innen-, des Justiz- und des Außenministers benennen. Dafür ist künftig der Präsident zuständig. Entsprechend wurden sowohl das Gesetz "Über die Regierung" als auch das Gesetz "Über den Präsidenten" geändert und somit die Befugnisse des Staatsoberhaupt erweitert.

Gemäß dem geänderten Gesetz "Über den Präsidenten" erhält der Staatschef das Recht, Mitglied einer Partei zu sein. Ferner erhält er das Recht zur Gesetzesinitiative. Auch darf er nun das Parlament auflösen, nach einem Verfahren, das Beratungen mit den Vorsitzenden beider Parlamentskammern und dem Premierminister vorsieht.

Opposition warnt vor Alleinherrschaft

Der Führer der kasachischen Sozialdemokraten, Scharmachan Tujakbaj, meint, Nasarbajew habe mit den Gesetzesänderungen seine Alleinherrschaft im Lande weiter gefestigt: "Unter dem Deckmantel einer Demokratisierung wird in Wirklichkeit das autoritäre Regime gefestigt." Tujakbaj rechnet zudem bei den nächsten Parlamentswahlen mit zahlreichen Verstößen: "Trotzdem werden wir am Wahlkampf teilnehmen, denn eine Beteiligung an der Wahl heißt, sich mit dem Volk zu beschäftigen. Gerade dies brauchen die demokratischen Kräfte, um das Volk auf die negativen Entwicklungen in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen."

Auch der Leiter der kasachischen Organisation "Bürgergesellschaft", Galymschan Schakijanow kritisiert die Gesetzesänderungen: "Die politische Reform führt zu mehr Zentralisierung und Konzentration von Macht in einer Hand." Im Verhältniswahlrecht auf der Grundlage von Parteilisten sieht Schakijanow keine Verbesserung der Möglichkeiten des Parlaments: "Es ist kein Geheimnis, dass die Präsidenten-Partei ‚Nur-Otan‘ das Parlament dominieren wird." Deswegen sieht Schakijanow die Gewaltenteilung gefährdet: "Nasarbajew darf nun legal Vorsitzender einer Partei sein. Das bedeutet, dass er als Präsident nicht nur die Exekutive, sondern als Vorsitzender der herrschenden Partei auch die Legislative kontrollieren wird."

Anatolij Weißkopf, Astana
DW-RADIO/Zentralasien, 21.6.2007, Fokus Ost-Südost