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Katerstimmung für Bierbrauer nach der EM?

Volker Danisch (dpa)11. Juli 2016

Portugal ist der Gewinner der Fußball-EM. Aber auch die deutschen Biertrinker können sich angesichts des Tiefpreisniveaus als Sieger fühlen. Verlieren hingegen dürften einige Brauereien.

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Kisten mit Flaschenbier
Bild: picture-alliance/dpa

Mehrere Bierkästen günstig im Paket - oder eine Zugabe wie Holzkohle oder Ketchup noch obendrauf? Große Lebensmittelhändler hatten zur Fußball-EM mit vielen Aktionen geworben. Auf diese Weise sollen einzelne Markenbiere letztlich kurze Zeit sogar nur noch für gut neun Euro der Kasten mit 20 Halb-Liter-Flaschen angeboten worden sein. Der Biertrinker in Deutschland stand damit schon vor dem Finale als Gewinner der Fußball-EM da. Doch bei einigen Unternehmen könnte in den nächsten Wochen so etwas wie Katerstimmung entstehen.

Preise wie zuletzt 2006

"Die Preise gehen bedauerlicherweise wieder unter zehn Euro, nachdem wir im vergangenen Jahr schon einen Negativrekord hatten", sagt Günther Guder, Geschäftsführender Vorstand im Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels. Das zeigten nicht nur die Prospekte der Supermärkte, sondern auch Daten der Marktforschung. Der Aktionsanteil von zehn ausgewählten großen Biermarken habe 2015 im Durchschnitt bei 77 Prozent gelegen. "Das heißt, dass nur 23 Prozent des Bieres zu normalen Preisen verkauft wurden", verdeutlicht Guder. Die Rotstiftpreise nehmen kein Ende. "Dieses Preisniveau bestand schon vor 20 Jahren."

Hasseröder Brauerei
Die Produktion in den Brauereien (hier: Hasseröder) lief auf HochtourenBild: picture-alliance/dpa

Die Privatbrauerei Veltins, die ein Halbjahresplus von 4,2 Prozent beim Ausstoß erzielte, berichtet ebenfalls von lange nicht mehr gesehenen Aktionspreisen bei der Konkurrenz. "Der Handel hat Bierpreise aufgerufen wie zuletzt vor zehn Jahren zur Fußball-WM in Deutschland", sagt Vertriebschef Volker Kuhl. Bei einigen Aktionen dürfte für den Händler keine Spanne übrig geblieben sein. Auch die Hoffnung, der Kunde kommt nicht nur zum Bierkaufen und nimmt einen vollen Warenkorb mit, gehe oft nicht auf. Der Bierkonsum in Deutschland steigt entgegen dem langjährigen Abwärtstrend wieder. In den ersten fünf Monaten 2016 laut Statistischem Bundesamt um 1,8 Prozent, im Halbjahr nach Schätzung von Veltins um etwa 2 Prozent. Das geht aber nicht allein auf die massive Werbung zur EM zurück.

Auf Vorrat gekauft

Im Wonnemonat Mai mit seinen Feiertagen, Brückentagen und damit langen Wochenenden schoss der Bierabsatz in Deutschland nach amtlichen Daten um 7,6 Prozent in die Höhe. Angesichts vieler Schreckensnachrichten aus aller Welt und gestiegener Einkommen liegt das Feiern im kleinen Kreis wieder im Trend, wie Brauer unter Berufung auf Trendforscher berichten.

Obwohl das Bierglas in diesem Jahr ein bisschen voller ist, könne nach dramatischen Anteilsverlusten der vergangenen Jahrzehnte von einer Trendwende aber noch keine Rede sein, betont Jürgen Gottinger, Mitglied der Geschäftsleitung des Beratungsunternehmens Dr. Wieselhuber & Partner. "Das sind operative Bewegungen des Marktes, die ich jedermann gönne. Vormachen sollte man sich an dieser Stelle nichts." Viele Verbraucher würden Bier inzwischen weniger als einen Durstlöscher sehen. Wie bei anderen Lebensmitteln gehe es stärker um Genuss. Deshalb steige die Nachfrage nach Bierspezialitäten und auch alkoholfreien Varianten.

UEFA EURO 2016 - Fans deutsche Nationalmannschaft
Nach dem Ausscheiden der deutschen Elf: Trostbier war gefragtBild: picture-alliance/Bild-Pressehaus

Aus Sicht des Getränkefachgroßhandels sind Aktionspreise für Marken heikel. "Wertschätzung hat auch etwas mit dem Preis zu tun. Man signalisiert unter zehn Euro, das Bier ist weniger wert", mahnt Guder. Wer sich gleich drei Kästen in den Keller gestellt hat, brauche für Wochen keinen Nachschub. Das könnten einige Unternehmen schon im Juli zu spüren bekommen. Auch Berater Gottinger sieht die Preisaktionen kritisch, an denen sich Brauereien erfahrungsgemäß beteiligen müssten. Wenn der Handel so etwas mache, bestehe er auf Sonderkonditionen. "Selbst wenn man mengenmäßig Zuwachs hat, kann ich mir nicht vorstellen, dass das die Ertragsseite verbessert."