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Katholische Kirche wird durch EU-Beitritt Polens nicht verlieren

25. Februar 2004

- Als größter Grundbesitzer im Land kann sie mit hohen Zuzahlungen rechnen

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Warschau, 19.2.2004, TRYBUNA, poln.

Jozef Oleksy, der Vizepremier und Minister für Inneres und Verwaltung kann noch nicht mit Sicherheit sagen, ob die Kirche in Polen nach dem Beitritt zur EU ihre Zollprivilegien weiter erhalten kann. (...)

Diese Privilegien haben Anfang der neunziger Jahre für Aufregung gesorgt, als viele tüchtige Priester Automobile "für die Diözese" ohne Zollgebühren nach Polen importieren ließen. Diese Wagen wurden dann entweder mit Gewinn weiterverkauft oder genutzt, und das in einer Art und Weise, die mit der Ausübung der Religion wenig zu tun hatte. 1995 entdeckte die Staatsanwaltschaft in Lublin eine Gruppe, zu der achtzehn Priester und acht "Laien" gehörten. Diese Gruppe brachte 43 teure Wagen ohne Zoll nach Polen, die dem "kirchlichen Bedarf" dienen sollten, aber in Wirklichkeit sofort an Dritte verkauft wurden. Dem Staat entstanden Verluste in Höhe von über 200 000 Zloty (etwa 50 000 Euro).

Der Import von Autos "für kirchliche Zwecke" wurde so lohnend, dass manche Betrüger Kirchen und religiöse Verbände gründeten, nur um Autos ohne Zoll nach Polen zu importieren. Ein Rekord stellte die Scientology-Kirche auf, die fast 100 Wagen der Marke Rolls Roys zollfrei nach Polen importieren ließ (...)

"Seit vier Jahren werden keine Autos mehr von der katholischen Kirche importiert", versicherte Bischof Piotr Libera, der Sekretär des polnischen Episkopats. Auch der Sejm hat mit neuen Gesetzen die Lücken in der alten Gesetzgebung geschlossen.

"Es ist jedoch nicht so, dass die römisch-katholische Kirche durch den EU-Beitritt verlieren wird. Was man in dem einen Bereich verliert, wird durch einen anderen kompensiert", sagte Pawel Leszczynski, Experte für Glaubensrecht an der Universität Warschau.

Das, was durch die Abschaffung der Zollprivilegien verloren wird, kann z. B. durch die Zuzahlungen zur Landwirtschaft kompensiert werden. Die katholische Kirche in Polen ist nämlich der größte Grundbesitzer in Polen, dem etwa 160 000 Hektar Land gehören, d. h. mehr als vor dem Zweiten Weltkrieg.

Nach dem Beitritt zur EU hat sie also die Chance, von der Union Zuzahlungen in Höhe von 18,880 Millionen Euro zu bekommen!

Den Grundbesitz verdankt die Kirche vor allem der spendablen Hand des polnischen Staates. Anfang der neunziger Jahre wurde der Kirche das Recht zugesprochen, die in der Zeit der Volksrepublik Polen verstaatlichten Güter wiederzubekommen. Für die Rückgabe ist eine spezielle Güterkommission zuständig, zu der die Vertreter des Innenministeriums und der Bischofskonferenz gehören. (...)

Man kann jedoch die manchmal ungerechten Entscheidungen der Kommission nicht in Frage stellen, weil eine Berufung vor Gericht im Gesetz nicht vorgesehen ist. Dank den Entscheidungen dieser Kommission bekam die Kirche fast 50 000 Hektar Land. (...)

Bisher kann die Kirche in Polen eine breite Palette wirtschaftlicher Tätigkeiten ausüben, ohne Steuern für diese Tätigkeiten zahlen zu müssen, die der Ausübung der Religion, der Bildung und karitativen Zwecken dienen. Der Katalog der Möglichkeiten ist so breit, dass man darunter fast alles unterbringen kann.

Die Kirche nutzt ihre Privilegien aus. Sie investiert auch in Unternhemen, die aufgrund ihrer Lehre einige Kontroversen hervorrufen könnten. Das Erzbistum Poznan (Posen) wurde z. B. zu einem bedeutenden Aktieninhaber der Brauerei Okocim und Brock. (...) (sta)