1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kaum Chancen gegen Olaf Scholz

14. Februar 2011

Die Wahl der Bürgerschaft in Hamburg ist die erste von sieben Landtagswahlen in diesem Jahr. Hamburg erlebt einen Wahlkampf, in dem alles anders ist, als im Rest des Landes. Es ist ein Kampf mit klaren Vorzeichen.

https://p.dw.com/p/10Gsm
Der SPD-Spitzenkandidat für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Olaf Scholz (Foto: dpa)
Der SPD-Spitzenkandidat für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Olaf ScholzBild: picture alliance /dpa

Nicht alle Verkäufer auf dem Wochenmarkt im Hamburger Bezirk Eimsbüttel sind nett zu Christoph Ahlhaus. Der Erste Bürgermeister der Hansestadt ist vielen im Weg. "Die Kunden kommen hier gar nicht durch," ruft der Gemüsehändler dem kräftig gebauten Mann im dunklen Mantel zu, der sich mit seinem Wahlkampfteam in dem schmalen Gang vor seinem Stand aufgebaut hat, "das ist richtig geschäftsschädigend!", murrt die Marktfrau am Käsestand gegenüber. Er lächelt tapfer, doch sein Gesicht wirkt bleich. "Na ja, dann will ich mal weitergehen, ich darf ihre Umsätze ja nicht schmälern", sagt er.

CDU-Spitzenkandidat und Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus beim Wahlkampf auf dem Wochenmarkt mit einem Rentner redend (Foto: DW)
CDU-Spitzenkandidat und Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus beim WahlkampfBild: DW/Heiner Kiesel

Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus tingelt in diesen Tagen über die Märkte. Er will ein Bürgermeister zum Anfassen sein. Er schüttelt Hände, beugt sich über einen Kinderwagen, erklärt einem Senioren, warum die Stadt mit ihm sicherer ist als mit der SPD. Aber bei alldem wirkt er eine Spur abwesend. Nur einmal strahlt sein Gesicht von innen. Er linst in den Einkaufskorb einer Kundin. Sie hat Lauch gekauft. "Den koche ich auch sehr gerne", sagt er. Ob er denn Zeit zum Kochen habe, fragt sie. "Nach der Wahl habe ich wahrscheinlich mehr Zeit", antwortet er.

Deutliche Meinungsumfragen

Meinungsumfragen zufolge wird er Recht behalten. Für seine Partei, die CDU, prognostizieren die Demoskopen derzeit 24 Prozent. Die Partei seines Herausforderers Olaf Scholz, die SPD, liegt bei 45 Prozent. 15 Prozent wählen demnach die Grünen, die in Hamburg "Grüne Alternative Liste" (GAL) heißen. Bei der Linkspartei und der FDP ist es unsicher, ob sie wieder in die Bürgerschaft, das Hamburger Landesparlament, kommen.

Es sind nur noch wenige Tage bis zur Bürgerschaftswahl. Dann hat Ahlhaus es überstanden. "Es sind schwierige Rahmenbedingungen", meint Ahlhaus zu den vorgezogenen Neuwahlen in Hamburg. Der Koalitionspartner der CDU, die Grüne Alternative Liste, wollte mit Ahlhaus nicht mehr zusammenregieren und verließ Ende November 2010 das erste schwarz-grüne Bündnis auf Landesebene in Deutschland. Das war, kurz nachdem der ungemein populäre Ole von Beust sich überraschend aus dem Amt machte - und das wiederum nach einer desaströsen Volksabstimmung gegen die schwarz-grüne Schulreform. Ahlhaus wurde vom Innensenator zum Rathauschef. Ein Erster Bürgermeister, den keiner gewählt hat und den nun wenige wählen wollen. Einer, der die auf Understatement getrimmten Hamburger vergrätzt, weil er seine neugekaufte imposante Villa mit öffentlichen Mitteln schützen lässt.

SPD in Siegerlaune

Diese Ausgangssituation sorgt für einen unglaublichen Höhenflug der SPD in Hamburg ganz gegen den Bundestrend, wie so vieles in Hamburg. Entsprechend gut ist die Stimmung in der Parteizentrale, dem Kurt-Schumacher-Haus. Dort im 3. Stock sortieren Parteianhänger Wahlkampfbroschüren. An der Wand grinst Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder kämpferisch von einem alten Plakat.

Der Hamburger SPD-Politiker Hansjörg Schmidt (Foto: DW)
Der Hamburger SPD-Politiker Hansjörg SchmidtBild: DW/Heiner Kiesel

Hansjörg Schmidt, ein hagerer Mittdreißiger stakst in den gut 30 Quadratmeter großen Raum. Er holt Nachschub für seinen Infostand. Schmidt kandidiert für die Bürgerschaft, das Hamburger Landesparlament, im Wahlkreis 1. "Das ist Hamburg Mitte, St. Pauli, hier schlägt das Herz der Stadt", sagt er und klemmt sich zwei Kartons unter die Arme. Kein echtes Gewicht - Schmidt wirkt frisch und unbelastet. Das liegt nicht nur daran, dass er sich zum ersten Mal für das Mandat bewirbt. Seiner Partei haben zehn Jahre in der Opposition gut getan. "So kann man uns auch nicht mehr vorwerfen, dass wir 44 Jahre regiert hätten und auch nicht toll gewesen seien", fasst Schmidt die seiner Ansicht nach kathartische Wirkung der Machtferne zusammen.

Die großen Themen im Wahlkampf sind Bildungspolitik, innere Sicherheit, Wohnungsbau und Großprojekte wie die Elbvertiefung. Sehr geschickt hat der Bundespolitiker und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz den farblosen Amtsinhaber Ahlhaus vorgeführt und vielleicht passt Scholz auch besser zum Hamburger Way of Life. Wichtiger ist jedoch, dass Union und die Grünen viele enttäuscht haben und die SPD nicht enttäuschen konnte.

Kann SPD allein regieren?

Schmidt muss jetzt wieder auf die Straße, Wahlkampf machen. Nach derzeitigem Stand wird er zu den Gewinnern gehören. Die spannende Frage, die für den Wahlsonntag bleibt, ist, ob die SPD vielleicht doch die absolute Mehrheit schafft. Das würde ihr Koalitionsverhandlungen mit den Grünen ersparen - laut Parteibeschluss der Wunschpartner für eine Regierung.

GAL-Spitzenkandidatin Anja Hajduk bei einer Wahlkampfveranstaltung (Foto: DW)
GAL-Spitzenkandidatin Anja HajdukBild: DW/Heiner Kiesel

Bei den Grünen selbst sieht man dem Wahltag mit gemischten Gefühlen entgegen. In den Umfragen stehen sie schlechter da als auf Bundesebene. Man wird wieder in die Bürgerschaft einziehen, auch eine Regierungsbeteiligung ist theoretisch wahrscheinlich. "Hamburg braucht die GAL für eine umweltgerechte Gestaltung der Stadt", schärft Grünen-Spitzenkandidatin Anja Hajduk ihren Zuhörern bei einer Wahlkampfveranstaltung im Hamburger Stadtteil Blankenese ein. Eine SPD-Alleinregierung sei schädlich für die Stadt, "eine große Koalition ist Stillstand". Aber alle wissen: Eine Regierung mit den Sozialdemokraten bedeutet neue Kompromisse und kann schädlich für die Grünen sein. So wie in der schwarz-grünen Regierung die Zustimmung zum umstrittenen Kohlekraftwerk Moorburg schädlich war - ein gebrochenes Wahlversprechen, dass die Wähler schwer vergessen können.

Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Kay-Alexander Scholz