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Friedliche Europagrenze

Helle Jeppesen5. Oktober 2012

Die beiden Städte Kehl und Straßburg liegen sich am Rhein gegenüber. Durch die grenzenlose Zusammenarbeit wachse hier Europa zusammen, sagt der Kehler Oberbürgermeister Günther Petry im DW-Interview.

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Rheinbrücke bei Kehl (Foto: Stadt Kehl)
Bild: Stadt Kehl

Deutsche Welle: Die deutsche Stadt Kehl und die französische Stadt Straßburg liegen sich am Rhein gegenüber. Sie können in Kehl zwar vieles beschließen, doch wenn es zum Beispiel um Umweltfragen geht, können Sie nicht viel erreichen, wenn Straßburg nicht mitzieht, oder?

Günther Petry: Ja, das stimmt. Aber es gibt sowohl in Straßburg als auch von unserer Seite aus schon seit längerem Bemühungen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu verbessern. Man darf nicht vergessen, dass das Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 noch nicht so lange her ist, wenn man in Generationen denkt. Das gemeinsame Europa hat ja eine sehr konkrete Auswirkung gehabt, nämlich dass man sehr gut miteinander auskommt an dieser Grenze. Deshalb ist für uns die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sehr wichtig, und für die Straßburger ist sie vor allem aus Gründen der politischen Glaubwürdigkeit als Europastadt wichtig. Da fügen sich zwei Dinge gut zusammen.

Oberbürgermeister Dr. Günther Petry, Stadt Kehl am Rhei (Foto: DW/Per Henriksen)
"Zusammen schafft man mehr": der Kehrler Bürgermeister Günther PetryBild: DW

Ist der Spielraum für diese lokale Zusammenarbeit groß genug?

Die Kommunalpolitiker haben gelernt pragmatisch zu sein. Es gibt keinen sozialdemokratischen oder christdemokratischen Bürgersteig. Vielmehr geht es um die Frage, ob der Gehweg breit genug ist. Da lernt man schnell pragmatisch zu werden. Wir können ja keine Regelungen und keine Gesetze erlassen. Wir kommen als Kommunen im bundesdeutschen Gesetzgebungsverfahren überhaupt nicht vor, mit Ausnahme von freiwilligen Anhörungen des Städtetages oder ähnliches. Also bleibt nur Pragmatik.

Wo sind die Grenzen der grenzüberschreitenden Kooperation?

Man muss davon ausgehen, dass Deutschland und Frankreich zwei sehr zivilisierte Länder sind. In beiden gibt es alles: Abwasserentsorgung, Gesundheitsversorgung, Autozulassungen, man kann Kinder kriegen, sterben geht in beiden Ländern. Eben alles - nur verschieden. Und das bedeutet, wenn man etwas zusammen macht, müssen beide Seiten erkennen, dass es zusammen besser wird, als wenn jeder für sich alleine nach Lösungen sucht.

Straßburg hat über 270.000 Einwohner, die Stadt Kehl ungefähr 35.000. Welche Bedeutung hat die deutsch-französische Grenze als Wirtschaftsfaktor für die Stadt Kehl?

Der Einzelhandel von Kehl macht etwa 40 Prozent Umsatz mit französischen Kunden. Und das wird  sich weiter entwickeln - übrigens auch in die umgekehrte Richtung. Nun muss man sehen, dass Kehl und Straßburg in zwei verschiedenen Größenklassen angesiedelt sind. Ungeachtet dessen wird das Leben der Menschen einfacher werden, auch dank des Euros. Aber die zugrundeliegenden staatlichen Strukturen werden noch auf lange Zeit unterschiedlich bleiben. In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit müssen wir immer versuchen, Entscheidungen gemeinsam zu treffen und gleichzeitig jeweils die Verankerung innerhalb des eigenen staatlichen Systems aufrecht zu erhalten. Das ist spannend.

Spielhalle in Kehl (Foto: DW/Per Henriksen)
Die Spielhallen in Kehl tragen auch zum Umsatz mit den französischen Nachbarn beiBild: DW

Sie sind seit etwas mehr als 14 Jahren Oberbürgermeister der Stadt Kehl. Gibt es spezielle Projekte, die Sie noch erreichen möchten in Ihrer Amtszeit?

Die Frage stellt sich für mich so nicht. Zur Kooperation mit Straßburg gibt es deshalb keine Alternative, weil die Zusammenarbeit die einzige Möglichkeit ist im Dialog gemeinsam vorwärts zu kommen. Wenn man nicht mehr kooperiert, dann redet man auch nicht mehr. Und dann wird es meist relativ schwierig. Wir haben gemeinsam die große Gartenschau gemacht, wir haben zusammen einen Nato-Gipfel Straßburg-Kehl organisiert. Wir haben sehr viele Sachen gemacht, und das finde ich eigentlich das Wichtigste: dass man die Dinge, die man mit einander machen kann, auch zusammen tut, weil damit einfach der Frieden an dieser Stelle Europas gesichert bleibt und gesichert wird.