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Kehrtwende in der Irak-Politik?

Heinrich Bergstresser14. August 2003

Der Weltsicherheitsrat wird voraussichtlich noch in dieser Woche einer neuen Irak-Resolution zustimmen. Die USA hoffen damit auf einen Ausweg aus ihrer misslichen Lage im Irak. Heinrich Bergstresser kommentiert.

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"Was immer du auch tust, handle weise und bedenke das Ende." Dieser uralte Sinnspruch hat bis heute nichts von seinem Gehalt verloren. Und die Nichtbeachtung erzeugt zumeist ungeahnte Probleme, die im komplizierten Geflecht der Politik leicht auch zu Katastrophen führen können. Im Irak kristallisieren sich seit dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen am 1. Mai 2003 für die USA und ihre Kriegsallianz nun fast schon im Tagesrhythmus neue Probleme heraus, die sich bereits zu einem Problemberg aufzutürmen drohen. Seit Wochen veranstalten versprengte Saddam-Anhänger, aber auch dem Terrornetzwerk El-Kaida nahestehende Grüppchen, ein regelrechtes Scheibenschießen auf US-Soldaten. Und der Zivilverwalter Paul Bremer gesteht mit versteinerter Miene größte Schwierigkeiten ein, den Irak zu befrieden.

Frieden bleibt fernes Ziel

Die USA haben sich im Irak in eine Sackgasse hineinmanövriert. Von Befriedung keine Spur: Fast täglich gibt es Meldungen über erschossene US-Soldaten, die Kosten der Besatzung explodieren, eingeflogene evangelikale Prediger vergiften in der islamisch geprägten Gesellschaft zusätzlich das angespannte Klima, an der Heimatfront lahmt die Wirtschaft. Und so versuchen die USA nun mit Hilfe des Sicherheitsrates, still und leise aus dieser misslichen Lage herauszukommen, ohne aber im Irak das Heft aus der Hand geben zu wollen. Der UN-Resolutionsentwurf zielt darauf ab, die großen finanziellen Lasten der Militärbesatzung und das Berufsrisiko der Soldaten auf die Schultern der internationalen Gemeinschaft zu verteilen und dem Irak-Krieg im nachhinein einen Ansatz von Legitimation zu verleihen.

Worüber die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zurzeit im wesentlichen diskutieren und streiten, ist die politisch-rechtliche Stellung des "Irakischen Verwaltungsrates". Die USA versuchen alles, diesem Rat die internationale Anerkennung zu verleihen, was letztlich die Kriegsgründe vergessen und den völkerrechtswidrigen Präventionsschlag gutheißen ließe. Die Gegner des Irak-Krieges dagegen bestehen auf einer Sprachregelung, die den Rat lediglich "zur Kenntnis nehmen". Die US-amerikanische Zielsetzung ist verständlich. Denn eine echte Kehrtwende in der Irak-Politik käme einer politischen Niederlage der Bush-Administration gleich. Ihre Auswirkungen in den USA und den Vereinten Nationen würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand ernsthaft wagen abzuschätzen. Sie dürften aber - und da braucht man kein Prophet sein - Watergate und "Irangate" weit in den Schatten stellen.

Ausweg aus der Sackgasse?

Noch stehen die Chancen für die USA nicht schlecht, mit einigen Zugeständnissen an die internationale Gemeinschaft ein gutes Stück aus der Sackgasse herauszukommen. Die Interessenlage, besonders in Russland und Frankreich, aber auch in der UN selbst, deutet darauf hin. Die wollen nämlich wieder aktiv mitspielen im Konzert der Weltpolitiker und vertrauen auf die innenpolitische Dynamik in den USA und Großbritannien, wo der Irak-Krieg letztlich politisch aufgearbeitet werden müsse.

Diese Einstellung ist unter realpolitischen Gesichtspunkten nicht ganz von der Hand zu weisen. Sie verlöre aber jegliche Legitimation, sollte die Kriegsallianz unter Führung der USA schließlich doch noch einen Freibrief für ihren Irak-Krieg bekommen. Dann würden sich die Vereinten Nationen (UN) im nachhinein zur Hebamme eines Völkerrechts machen, das Präventionskriege jeglicher Art guthieße.

Doch soweit muss es nicht kommen. Denn jeder weiß, wie angeschlagen die so genannte Hegemonialmacht bereits ist, die keineswegs mehrere schwere Konflikte gleichzeitig bewältigen kann. Das Beispiel Liberia war geradezu schlagend. Aber die internationale Gemeinschaft sollte die Gunst der Stunde nutzen, die notwendigen Brücken zu bauen, um die USA - spätestens für die Nach-Bush-Ära - zurück ins Boot holen zu können, ohne den Krieg zu rechtfertigen. Denn ohne die USA ist die UN zu schwach, Terror und Armut erfolgreich zu bekämpfen. Die USA sind ihrerseits ohne die UN nicht stark genug, ihre Führungsrolle im Interesse der USA und des Restes der Welt sinnvoll auszufüllen.