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(K)ein Ausweg aus dem Griechen-Drama

Bernd Riegert17. Juni 2015

Die Notenbank in Griechenland warnt vor einem Grexit. Regierung und Kreditgeber pokern trotzdem weiter. Bringt die Sitzung der Euro-Finanzminister den Durchbruch? Bernd Riegert aus Brüssel.

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Symbolbild der griechischen Akropolis (Foto: © anastasios71)
Die Wolken über der Akropolis werden immer dunklerBild: Fotolia/anastasios71

"Der Ball liegt ganz eindeutig immer noch im Feld der Griechen. Davon gehen die Finanzminister der Euro-Gruppe ganz klar aus." So beschreibt ein hochrangiger EU-Beamter die Stimmung vor dem entscheidenden Euro-Gruppen-Treffen am Donnerstag in Luxemburg. Doch viel zu besprechen haben die Minister eigentlich nicht, denn die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Geldgeber und der griechischen Regierung blieben auch in den letzten Tagen trotz vieler Sondersitzungen, durchgearbeiteter Wochenenden und Konferenzrunden ohne konkretes schriftliches Ergebnis. Zur Zeit wird gar nicht mehr verhandelt, zur Zeit reden die beiden Seiten hauptsächlich übereinander.

"Griechenland wird deshalb in Luxemburg auch nur kurz angesprochen", glaubt ein EU-Beamter, der den Ablauf der Sitzung mit geplant hat. Eigentlich sollte der Abschluss des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland und die Auszahlung von insgesamt 7,2 Milliarden Euro besiegelt werden.

Seit dem 20. Februar, seit die Finanzminister das Hilfsprogramm um vier Monate verlängert hatten, hat sich aber am Verhandlungstisch zwischen den Institutionen Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Kommission und Griechenland de facto nichts getan.

Die Geldgeber-Seite behauptet, sie sei den griechischen Vorstellungen "extrem" weit entgegen gekommen. So weit, dass manche EU-Vertreter die Zugeständnisse schon übertrieben finden. Die griechische Regierung behauptet, die Geldgeber wollten Griechenland weiter "strangulieren". Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras warf dem IWF vor, "nahezu verbrecherisch" zu handeln. Sein Finanzminister Yanis Varoufakis sprach von "Sadismus", der bei den Geldgebern zu beobachten sei, die den armen Griechen noch mehr Einsparungen zumuten wollten.

Letzter Vermittlungsversuch in Athen ohne Ergebnis

Beide Seiten sind nach zahlreichen Verhandlungsrunden und Sondergipfeln der Staats- und Regierungschefs erschöpft, enttäuscht und entnervt, meint ein EU-Offizieller. Selbst der den Griechen eigentlich freundlich gesonnene Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, verlor die Beherrschung und warf, der griechischen Regierung vor, sie sage den Menschen nicht die Wahrheit. Sie stelle die Verhandlungsangebote vollkommen falsch dar.

Ministerpräsident Tsipras (r.) empfängt Bundeskanzler Feymann (Foto: Reuters)
Mit allen Ehren: Ministerpräsident Tsipras (r.) empfängt Bundeskanzler FeymannBild: Reuters/P. Hanna

Der Bundeskanzler von Österreich, Werner Feymann, hatte am Mittwoch (17.6.2015) noch einen letzten Vermittlungsversuch unternommen und war nach Athen gereist. Feymann sagte salomonisch, man müsse eine Lösung finden, die nicht zu mehr Einsparungen und mehr wirtschaftlicher Not in Griechenland führe. Konkrete Vorschläge machte er nicht. Der griechische Ministerpräsident Tsipras plädierte für einen "ehrenvollen Kompromiss", drohte aber gleichzeitig: "Wenn Europa weiter auf einer nicht hinnehmbaren Kürzung der Renten besteht, dann muss Europa auch die Folgen verantworten, die niemandem in Europa wirklich nutzen werden", sagte Tsipras.

Griechenland will Umschuldung jetzt verhandeln

In Brüssel wurde unterdessen bekannt, was sich die Unterhändler der griechischen Regierung unter einer "politischen Lösung" jenseits der technischen Verhandlungen mit den Institutionen vorstellen. In einem inoffiziellen Papier, das am vergangenen Wochenende der EU-Kommission vorgelegt wurde, schlägt die griechische Seite eine Umschuldung vor, die neue Kredite der europäischen Gläubiger von mindestens 27 Milliarden Euro erfordern würde.

Außerdem soll die Europäische Zentralbank einen Teil der Schulden beim IWF für Griechenland zurückkaufen. Die griechische Seite kündigt weiter an, sie wolle die Steuereinnahmen durch eine Reform der Mehrwertsteuer, eine Erhöhung der Unternehmensbesteuerung und von Spitzeneinkommen erhöhen. Auch das Eintreiben der Steuern soll verbessert werden, heißt es in dem Papier, das der DW vorliegt.

"Das hätten sie ja längst mal in Angriff nehmen können, auch ohne Verhandlungen mit den Kreditgebern", monierte ein EU-Beamter in Brüssel. Über einen Schuldenschnitt für Griechenland wollte und konnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am vergangenen Wochenende nicht verhandeln. Dafür hat er kein Mandat.

Griechenlands Zentralbank warnt vor Pleite und Euro-Austritt

Unklar ist, wie das griechische Drama jetzt weitergehen soll. Am 30. Juni läuft das derzeitige Hilfsprogramm aus, die Chance auf Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro wäre vertan. Gleichzeitig wird eine Rate von 1,6 Milliarden Euro an den IWF fällig. Niemand kann in Brüssel genau sagen, ob Griechenland nach dem 30. Juni zahlungsunfähig sein wird. Ob Griechenland dann auch aus der Euro-Zone fallen würde, hängt im Wesentlichen davon ab, wie lange die Europäische Zentralbank die griechische Bank über die sogenannten "Notfallkredite" ELA mit Geld versorgt.

Notenbank in Athen (Foto: Getty Images)
Die Notenbank in Athen warnt vor PleiteBild: Getty Images

Die Einführung einer neuen Währung in Griechenland wäre wahrscheinlich. So ist wohl auch die Warnung der griechischen Notenbank vom Mittwoch zu verstehen. Sie teilte mit, ohne eine Einigung mit den Kreditgebern könnte Griechenland zunächst pleitegehen und nachfolgend aus der Euro-Zone ausscheiden. Auch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union stehe dann infrage, schreibt die Zentralbank in einer Erklärung am Mittwoch.

Rasen mähen oder verhandeln?

Spekuliert wird in Brüssel, ob es am kommenden Wochenende erneut einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs geben müsse, um den gordischen Knoten zu zerschlagen. Ein hoher EU-Beamter meinte dazu, die Euro-Gruppe stünde jederzeit zu Verhandlungen bereit, wenn aus Griechenland Vorschläge kämen. "Wir warten ab und solange mähe ich am Wochenende meinen Rasen." Ein weiteres Gipfeltreffen hält dieser Insider also für eher unwahrscheinlich.

Euro-Gruppenchef Dijsselbloem (re.), Finanzminister Varoufakis (Foto: Reuters)
Kontrahenten: Euro-Gruppenchef Dijsselbloem (re.), Finanzminister VaroufakisBild: Reuters/F. Lenoir

Ein Ausweg, um Zeit zu gewinnen, könnte sein, das laufende zweite Hilfsprogramm noch einmal um Wochen oder Monate zu verlängern, allerdings ohne Geld auszuzahlen. Der Chef der Euro-Gruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem sagte im Parlament in Den Haag, eine Einigung mit Griechenland sei immer noch möglich, allerdings seien die Verhandlungen "ziemlich entgleist".