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Kein großer Wurf

Vladimir Müller7. August 2002

Israel strebt einen neuen Sicherheitsplan an. Darin ist eine schrittweise Räumung besetzter palästinensicher Gebiete vorgesehen. Vladimir Müller kommentiert den Plan und seine Chancen, umgesetzt zu werden.

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Eine Serie von Terroranschlägen am letzten Wochenende - sie geschahen kurz nacheinander - kostete Israel wieder einmal 13 Menschenleben und forderte über 60 zum Teil Schwerverletzte. Für Verteidigungsminister Ben-Eliezer kein Grund, das geplante Treffen mit drei hohen Palästinenservertretern abzusagen. Denn das Hauptthema seiner Gespräche am Montagabend (5.8.) sollte Sicherheit sein, genauer: ein Sicherheitsplan, wie sich ihn die israelische Regierung wünscht. Dieser Plan besagt im Kern: Wenn sich die Palästinensische Autonomiebehörde im Gaza-Streifen durchsetzt und anti-israelische Anschläge unterbindet, dann bietet Israel einen Rückzug aus besetzten Gebieten an.

Ein Experiment, das Hoffnungen weckt? Wohl kaum. Das Bild von palästinensischen Sicherheitskräften, die in Gaza Hamas-Aktivisten jagen, ist zurzeit völlig illusorisch. Denn für die meisten Palästinenser stellen nicht die Hamas und der Dschihad eine Bedrohung dar, sondern die israelischen Besatzer. Auch Ben-Eliezers Sicherheitsplan "Gaza Zuerst" dürfte bei der palästinensischen Führung kein besonderes Interesse wecken. Denn "Gaza Zuerst" könnte leicht in "Gaza Ausschließlich" münden, was gleichbedeutend wäre mit der Abkoppelung der Westbank und damit auch von Jassir Arafat. Der Innenminister der Autonomiebehörde Abdel Rasak Jechia wies denn auch gleich unmissverständlich darauf hin, dass die Besatzung zunächst in Ramallah beendet werden müsse, dem Amtssitz Arafats.

Der Plan des Verteidigungsministers, dessen oberstes Ziel die Sicherheit ist, ist denn auch eher nach innen gerichtet. Ben-Eliezer will der eigenen Öffentlichkeit vermitteln, neben den militärischen Mitteln, auch politische Maßnahmen in Angriff nehmen zu wollen, um Sicherheit für die israelische Bevölkerung wiederherzustellen. Damit ist aber in erster Linie Sicherheit für die israelischen Soldaten gemeint, die dann nicht mehr den gefährlichen Job der Ordnungskräfte auf besetztem Gebiet ausüben müssten.

Dieser Schritt fällt Ben-Eliezer nicht schwer, denn die militärischen Optionen sind praktisch ausgeschöpft. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Militärs die Selbstmordattentate in Israel nicht stoppen konnten. Immer wieder finden sich junge Palästinenser, die bereit sind, als sogenannte Märtyrer sich selbst und möglichst viele andere mit in den Tod zu reißen. Dies hat Wirkung gezeigt, denn unter den Israelis macht sich zunehmend sowohl Angst vor weiteren Terror-Anschlägen als auch gewisse Apathie und Schicksalsergebenheit breit. Eine Befindlichkeit, die keine Regierung erfreuen kann.

Viel Freude wird aber auch Ben-Eliezers Ausflug zu den Sicherheitsplan-Gesprächen nicht machen. Er selbst verspricht sich davon zusätzliches Profil als eventueller Rivale Scharons bei den nächsten Wahlen. Mag sein, dass das mehrheitlich ohnehin zu wenigen Zugeständnissen bereite israelische Publikum den Sicherheitsplan Ben-Eliezers als ein politisches Angebot akzeptieren wird. Für die Palästinenser bleibt aber wahrscheinlich nur die Frage übrig: Aussicht für Gaza-Bewohner auf Arbeit in Kern-Israel als Belohnung für Handlanger-Dienste? Kein wirkliches Angebot.

"Ihr seid die Starken, ihr müsst einen Ausweg finden," rief dieser Tage Ägyptens Präsident Hosni Mubarak den Israelis zu. Dieser Ausweg kann nur darin bestehen, den Palästinensern eine eigene Perspektive zu bieten - mit Aussicht auf Beendigung der Besatzung einschließlich Räumung der jüdischen Siedlungen auf den besetzten Gebieten. Der Sicherheitsplan " Gaza Zuerst" enthält diese Perspektive nicht.