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Kein Grund zum Jubeln

10. September 2009

An den deutschen Opel-Standorten herrscht große Erleichterung, denn Magna war der Wunschkandidat der Opelaner. Doch <i> Henrik Böhme </i> bezweifelt, ob sich da wirklich ein Dreamteam zusammengefunden hat.

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Bild: DW

Der Sieger heißt Magna. Groß war der Jubel in Rüsselsheim, in Bochum und an den anderen deutschen Opel-Standorten, als die ersten Meldungen durchsickerten. Denn Magna, einer der Großen aus der Riege der Zulieferer, Magna war ihr Wunschkandidat. Bloß weg von den Amerikanern, die Opel über Jahre haben ausgebluten lassen, die Opel über Jahrzehnte falsch geführt hatten, die den Profit vor die Qualität der Autos stellten. Eine Liebesbeziehung war sie gewiss schon ganz lange nicht mehr, diese Ehe, geschlossen schon vor acht Jahrzehnten. Jetzt also haben die Aufseher des Mutterkonzerns General Motors in Detroit nach langem Hin und Her entschieden, die Tochter aus dem Haus zu lassen. Eine Mitgift müssen sie nicht zahlen, das übernehmen die deutschen Steuerzahler. 1,5 Milliarden Euro an Überbrückungskrediten hat Berlin schon gegeben, sonst würde Opel schon heute nicht mehr leben. Und damit das Unternehmen überhaupt einer kauft, schiebt die Bundesregierung gleich noch mal 4,5 Milliarden an Starthilfe an Magna hinterher.

Geldnot sorgte für Entscheidung

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion
Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Am Ende war es wohl auch das Geld, dass GM dazu brachte, sich von Opel zu lösen. Denn hätte GM Opel behalten, hätte das nach Angaben des renommierten Wirtschaftsprüfers KPMG weitere sechs Milliarden Dollar nötig gemacht, unter anderem für die Rückzahlung des Hilfskredits an den deutschen Finanzminister. Aber eben dieses Geld hat General Motors nicht. Der gestürzte Riese – noch Anfang des Jahres die Nummer Eins in der Welt – hat zwar rasend schnell das Insolvenzverfahren verlassen, aber nur deshalb, weil er seinen gigantischen Schuldenberg beim Staat abladen konnte. Mit satten 50 Milliarden US-Dollar stützt Washington derzeit seinen prominentesten Patienten.

Theater vor Wahlkampfkulisse

Das ganze Gezerre um Opel fand vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahlen in Deutschland statt. Sowohl Bundeskanzlerin Merkel von der CDU wie auch Kanzlerkandidat Steinmeier von der SPD hatten sich sehr früh auf Magna als bevorzugten Investor festgelegt. Eine Strategie, die auch hätte total nach hinten losgehen können. Statt sich nun als Retter von Opel feiern zu lassen, hätten beide auch ziemlich blamiert da stehen können. Eine solch massive staatliche Einmischung in eine unternehmerische Entscheidung ist allerdings höchst verwerflich, auch vor dem Hintergrund eines milliardenschweren Rettungskredits aus der Staatskasse. Denn diese sehr nationale Betrachtungsweise des Falles Opel hat dem Ansehen Deutschlands durchaus geschadet. Schließlich gibt es auch wichtige Opel-Werke in Belgien, Spanien, Großbritannien und Polen. Doch das hat im Wahlkampf niemanden interessiert. Es ging immer nur um den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland. Wahre Europäer sollten anders denken.

Das dicke Ende kommt erst noch

Und wer weiß: Vielleicht kommt das dicke Ende ja noch. Die Bedingungen, die General Motors für den Verkauf diktiert – und das dürfen sie schließlich, denn sie sind noch der Eigentümer – diese Bedingungen sind nach den Worten der Bundeskanzlerin "beherrschbar". Klar ist aber auch: Man hat jetzt erst einmal eine Lösung, die den Wahlkampf-Endspurt in Deutschland nicht belastet. Erst nach dem 27. September wird es eine endgültige Vereinbarung zwischen Magna, der ebenfalls beteiligten russischen Sberbank und General Motors geben. Oder eben auch nicht. Der Teufel liegt bekanntlich im Detail. Und GM bleibt auf jeden Fall mit im Boot, weil die Amerikaner über ein Drittel der Anteile an Opel behalten wollen.

Alles andere als attraktive Braut

Der Jubel an den deutschen Opel-Standorten – er wird nur von kurzer Dauer sein. Auch Magna wird um massive Stellenkürzungen nicht umhin kommen. Denn schließlich soll der Fokus von "New Opel" auf der Eroberung des russischen Marktes liegen. Womöglich werden in Zukunft die meisten Autos mit dem Blitz auf der Kühlerhaube in Nischni Nowgorod in Russland montiert. Und wäre Opel eine so attraktive, tolle Braut, wie uns die Politik in den vergangenen Monaten weismachen wollte: Warum hat sich dann keiner der großen Autokonzerne wie, sagen wir Volkswagen oder Toyota für Opel interessiert? Das Duo Magna / Sberbank ist alles andere als ein Dreamteam für eine solche Veranstaltung. Es würde mich nicht wundern, wenn die Diskussion um die Zukunft von Opel demnächst von vorne losgeht.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel