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Schandfleck im Parlament

14. April 2009

Fliegt die NPD bei der Sachsen-Wahl am 30. August aus dem Landtag? Kenner der Szene bezweifeln das und sprechen von einer "ideologisch verfestigten Wählerschaft". Im Landtag setzen die anderen Parteien auf Ausgrenzung.

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Wahlplakat der NPD vor der Festung Königsstein in der Sächsischen Schweiz. In dieser Region holt die NPD bei der Kommunalwahl rund 7,5 Prozent (Foto: AP)
In der Sächsischen Schweiz holte die NPD bei den Kommunalwahlen 2008 rund 7,5 ProzentBild: AP

Wenn Johannes Lichdi auf den Fluren des Landtages am schönen Dresdner Elbufer den Damen und Herren von der NPD-Fraktion begegnet, dann kommt ihm kein Gruß über die Lippen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen setzt auf absolute Abgrenzung. Warum? Er mache sich keine Illusionen über die Geisteshaltung in der viertgrößten Landtags-Fraktion, die NPD sei eine eindeutig nationalsozialistische Partei, sagt Lichdi: "Sie verbrämt das zwar, aber die Ziele sind unmittelbar identisch mit den Zielen, die auch ein Adolf Hitler vertreten hat. Ich glaube auch, dass es gut wäre, wenn eine solche Partei in deutschen Parlamenten nicht vertreten wäre."

Mit Provokationen in die Medien

190.000 Sachsen hatten die NPD 2004 gewählt, ein Stimmenanteil von 9,2 Prozent. Seit dem Einzug der stärksten rechtsextremistischen Partei ins Landesparlament ist Dresden Schauplatz ihrer medienwirksamen Provokationen. Regelmäßig zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens im zweiten Weltkrieg durch anglo-amerikanische Bomber sammeln sich auf den Straßen einige tausend Rechtsradikale zu einem Trauermarsch. Drinnen im Parlament sorgte der Chefideologe der NPD-Fraktion, Jürgen Gansel, 2005 mit dem Begriff alliierter "Bomben-Holocaust" für Empörung im In- und Ausland.

Den Regierenden in Dresden und Berlin wirft die NPD Verrat deutscher Interessen vor. So wie jüngst, als Gansel Kanzlerin Angela Merkel während des Streits mit Polen über eine Vertriebenen-Stiftung mit den Worten attackierte: "Wenn wir heute eine Bundesregierung hätten, die das Attribut deutsch verdiente, und wenn wir eine Kanzlerin mit auch nur ein bisschen Bismarck-Format hätten, dann wäre dem Bund der Vertriebenen gegen die frechen polnischen Einmischungsversuche der Rücken gestärkt worden". Gansel handelte sich bei seiner Rede zwei Ordnungsrufe ein, doch so etwas nehmen die NPD-Parlamentarier hohnlachend in Kauf.

"Durchgängig Feinde der Demokratie"

Dresdner Bürger protestieren am Abend des Wahltages mit dem Transparent "Nazis raus"gegen den Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag am 19. September 2004 (Foto: AP)
Demonstration am Wahlabend 2004 nahe des Dresdner LandtagesBild: AP

Auch deshalb wären die anderen Parteien heilfroh, wenn die ungeliebten Kollegen mit der Landtagswahl im kommenden August auf Nimmerwiedersehen aus dem Parlament verschwänden. Auch Steffen Flath, Fraktionsvorsitzender der Regierungspartei CDU hält die NPD für einen Schandfleck des Parlaments: "Bei der NPD handelt es sich vom Auftreten und auch vom Programm her eigentlich durchgängig um Feinde der Demokratie."

Flaths CDU hat sich mit ihrem Koalitionspartner SPD, aber auch mit den oppositionellen Linken, FDP und Grünen geeinigt, Anträgen der NPD prinzipiell nicht zuzustimmen und bei Wahlen für parlamentarische Ämter deren Kandidaten nicht zu unterstützen. Abgesehen von einigen wenigen Pannen funktioniere die Ausgrenzungsstrategie, sagt CDU-Fraktionschef Flath. Begünstigt wird sie dadurch, dass die NPD-Fraktion personell von 12 auf 8 Mitglieder geschrumpft ist, drei Abgeordnete gingen freiwillig, einer wurde ausgeschlossen. Der Umgang mit den Rechtsextremisten im Landtag sei leichter zu bewältigen, als die Wähler zurückzugewinnen, die man an sie verloren habe, sagt Flath. Doch genau darum gehe es, denn ein beträchtlicher Teil der NPD-Wähler seien schlicht Unzufriedene, die mit ihrem Stimmverhalten Protest ausdrücken wollten.

Nicht immun sondern anfällig

Die Sachsen-CDU, die das ostdeutsche Land von seiner Wiedergründung 1990 bis 2004 allein regierte, ist von ihrem hohen Ross heruntergekommen. "Die Sachsen sind immun gegen Rechtsextremismus" behauptete fälschlicherweise Kurt Biedenkopf, fast zwölf Jahr lang Ministerpräsident in Dresden. Biedenkopf hielt Rechtschaffenheit, Fleiß und die bürgerliche Tradition seiner Sachsen für ausreichend, um Extremisten in Schach zu halten. Und er überschätzte die Zufriedenheit der Bevölkerung im ostdeutschen "Musterländle".

Feiernde NPD-Politiker vor der Fahne ihrer Partei am Wahlabend des 19. September 2004 (Foto: AP)
Erstmals seit 1968 zog die NPD am 19. September 2004 wieder in einen Landtag einBild: AP

Warum die NPD in Sachsen so unerwartet punktet, dafür nennt Grünen-Politiker Johannes Lichdi einige Gründe: die gezielte Ansiedlung von westdeutschen Partei-Kadern und des NPD-Zentralorgans "Deutsche Stimme" in Sachsen, wo sie eine aus DDR-Zeiten stammende mangelnde Toleranz der Bevölkerung gegenüber Ausländern und - nach zwei Diktaturen - die Entwöhnung von demokratischen Strukturen vorgefunden hätten. Dazu kämen überzogene Erwartungen der Ostdeutschen an den Staat, die bei Enttäuschung in radikalen Protest umschlügen, wie bei der Empörung über die Arbeitsmarktreformen (Hartz IV) im Wahljahr 2004, sagt Lichdi.

Mit einigem Bangen blicken Christdemokrat Flath und Grünen-Politiker Lichdi deshalb auf die künftigen Arbeitslosenzahlen. Es sei natürlich zu befürchten, dass die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise den platten Sprüchen der NPD Auftrieb verleihen könnte, sagt Lichdi.

Wachsender Einfluss in Kommunen

Doch nicht nur Protest- oder Frustwähler machen die NPD stark. Kenner der Szene gehen von einer "ideologisch verfestigten NPD-Wählerschaft" in Sachsen aus, die der Partei auch zunehmenden Einfluss in den Kommunen beschert. 2008 zog die NPD erstmals in alle sächsischen Kreistage ein, die mit ihr verbundenen rechtsextremistischen Kameradschaften sind in Sportvereinen und bei der Feuerwehr aktiv. Zwar ging die NPD-Mitgliederzahl auf 850 leicht zurück, doch gleichzeitig stieg die Zahl der sogenannten "Freien Kräfte" - so nennen sich parteiungebundene rechtsextremistische Gruppierungen, die bei Wahlen mit der NPD kooperieren. Ein Wiedereinzug der NPD in den Dresdner Landtag im August wäre deshalb keine Überraschung.

Autor: Bernd Gräßler

Redaktion: Kay-Alexander Scholz


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