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(K)ein Hauch von Hoffnung

31. August 2010

Die Friedensverhandlungen in Washington werden im Vorfeld vom Streit um jüdische Siedlungen belastet. Das auslaufende Moratorium könnte zur Zerreißprobe werden, wenn Netanjahu und Abbas ihre direkten Gespräche aufnehmen.

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Mahmud Abbas, Benjamin Netanjahu, Barack Obama bei einem Treffen 2009(von links) (Archivfoto: AP/DW)
Was kann Obama noch erreichen?Bild: picture-alliance/dpa

Zahlreiche Besuche des US-Sonderbeauftragten für den Nahen Osten, George Mitchell, bei Israelis und Palästinensern waren in den letzten anderthalb Jahren ergebnislos geblieben und so kam es eher überraschend, was Außenministerin Clinton am 20. August vor der Presse erklärte: "Ich habe den israelischen Premierminister Netanjahu und den Präsidenten der palästinensischen Verwaltung, Abbas, eingeladen, sich am 2. September in Washington zu direkten Verhandlungen über die Lösung aller grundlegenden Fragen zu treffen. Wir glauben, dass dies innerhalb eines Jahres erreicht werden kann." Clinton meinte, sie sei sich der Schwierigkeiten bewusst, blieb aber bei ihrem zuversichtlichen Ausblick, dass binnen eines Jahres die Wende erzielt werden könne. Das, obwohl ein solches Ziel bereits einmal gesetzt und nicht erreicht wurde: Bei den Nahostgesprächen von Annapolis im November 2007, bei deren Ende der damalige israelische Ministerpräsident, Ehud Olmert, die Aufnahme von bilateralen und direkten Verhandlungen ankündigte. 2008 sollten sie laut Olmert abgeschlossen sein.

Es wurde nichts daraus. Die Kluft zwischen beiden Seiten wurde immer tiefer, vor allem mit dem Gazakrieg Ende 2008/Anfang 2009. Aber auch die innenpolitischen Entwicklungen in Israel, bei den Palästinensern und in den USA trugen zum Scheitern bei. Barack Obamas Amtsantritt gab zwar zunächst vielen Hoffnung, der andauernde Machtkampf zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) von Mahmud Abbas und der in Gaza herrschenden Hamas machte - und macht - die Palästinenser politisch manövrierunfähig. Gleichwohl versicherte Hussein el-Sheikh, Beauftragter für Sicherheitszusammenarbeit, auf Hebräisch im israelischen Fernsehen, dass er an Verhandlungen mit Israel glaube. "Es gibt keine Alternative. Israel kann uns nicht über den Jordan vertreiben und wir können die Israelis nicht ins Meer werfen. Wir müssen hier zusammen leben", sagte El-Sheikh. Olmert musste zurücktreten und als Nachfolger wurde Benjamin Netanjahu gewählt. Er ist zwar ein Politiker, der von Frieden spricht, bisher aber nicht bereit war, Vorleistungen dafür zu erbringen. Regierungssprecher Mark Regev zeigte sich freundlich und begrüßt die amerikanische Einladung, direkte Friedensverhandlungen mit den Palästinensern aufzunehmen - ohne jede Vorbedingung, wie er betont.

Maskierte Hamas-Kämpfer (Foto: AP)
Im Gaza-Streifen hat die Hamas das SagenBild: AP

Streitpunkt Siedlungsbau

Genau an diesem Punkt aber scheiden sich die Geister. Es geht um die Frage des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland - oder "Judäa und Samaria", wie Israel das Gebiet nennt. Seit dem Sechstagekrieg 1967 sind dort fast 300.000 Israelis angesiedelt worden und nicht nur die Palästinenser betrachten dies als Vorstufe zur Annektierung der Siedlungsgebiete. Die Siedlungen werden von palästinensischer Seite deswegen als Vorbedingung Israels betrachtet. Dabei fordern die Palästinenser einen unbegrenzten Siedlungsstopp. Der palästinensische Chefunterhändler, Saeb Erekat sagte: "Ich hoffe, dass wir dem Frieden eine Chance geben. Das wichtigste heute ist, dass die israelische Regierung - wenn sie vor der Wahl steht zwischen Siedlungen und Frieden - sich für den Frieden entscheidet."

Die israelische Siedlung Maale Adumim im Westjordanland (Foto: DPA)
Netanjahu will keinen Baustopp für SiedlungenBild: picture alliance/dpa

Sollte Israel dazu nicht bereit sein, will Abbas nicht weiter verhandeln. Grund genug für Israel, den Palästinensern den Vorwurf zu machen, dass sie Vorbedingungen stellen würden. Dabei hatte Netanjahu sich am 25. November 2009 dem Druck der USA gebeugt und einen Siedlungsstopp verkündet: "Die Regierung beschloss heute ein Moratorium in der Siedlungspolitik für einen Zeitraum von zehn Monaten in Judäa und Samaria."

Das Einfrieren der Bautätigkeit sei kein Verzicht auf die Gebiete. Das stellte Netanjahu wenig später klar: "Wir sind hier und wir bleiben hier. Wir pflanzen hier und wir bauen hier. Dies wird für immer ein untrennbarer Teil Israels sein", sagte der Ministerpräsident.

Was passiert nach dem Moratorium?

Die zehn Monate sind bald vorbei und die Frage "Fortsetzung des Siedlungsstopps oder nicht" wird immer mehr zum Angelpunkt des versuchten Neubeginns. Obwohl es doch eigentlich eine ganze Reihe anderer wichtiger Fragen gibt, in denen Israel und Palästinenser unterschiedlicher Meinung sind: Zum Beispiel die Frage Jerusalems oder die des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge seit 1948. In Israel hat man inzwischen begonnen, von der Entstehung eines palästinensischen Staates zu sprechen, den man auch anerkennen wolle. Man fordert aber im Gegenzug die Anerkennung Israels als "jüdischen Staat" durch die Palästinenser. In den Augen der Palästinenser ist das inakzeptabel, weil sie dadurch das Staatsgebiet Israels für Palästinenser zu schließen fürchten. Als "Staat" hingegen haben die Abbas-Anhänger Israel längst akzeptiert und würden ihn als solchen auch anerkennen, wenn sie erst ihren eigenen Staat hätten.

Mutige Politiker gefordert

In all diesen Punkten liegt genug Zündstoff, um die neue Verhandlungsrunde zu torpedieren. Die Siedlungsfrage könnte aber verhindern, dass man zu diesen Themen überhaupt kommt. Der ehemalige palästinensische Informationsminister, Mustafa Barghouti, betrachtet die Dinge eher pessimistisch: "Dies sind Verhandlungen ohne jede Hoffnung und ohne jede Erwartung. Der palästinensische Partner ist diesmal schwächer als je zuvor. Was wir sehen, ist nichts als eine Tarnung, eine Fassade."

Jordaniens König Abdullah an einem Rednerpult (Foto: AP)
Auch König Abdullah von Jordanien wird den Gesprächen in Washington beiwohnenBild: AP

Auch die Amerikaner dürften wissen, dass die Chancen auf Erfolg nicht groß sind. Sie haben sich deswegen um internationale Staffage bemüht: Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak und Jordaniens König Abdullah reisen nach Washington. Tony Blair ist als Sondergesandter des Nahost-Quartetts dabei. EU-Außenministerin Catherine Ashton reist stattdessen nach China. Ein Scheitern in Washington oder danach könnte aber fatale Folgen haben. Dies meinte jedenfalls König Abdullah von Jordanien in einem Interview mit dem israelischen Fernsehen: "Wenn wir den Prozess nicht vorantreiben, dann wird etwas passieren. Entweder an ihren Grenzen oder weiter weg oder im Inneren. Wenn Politiker nicht den Mut haben und sich ihrem Schicksal stellen, dann werden die Menschen am Ende den Preis dafür zahlen - mit ihrem Leben oder der Unsicherheit ihrer Zukunft. Das ist die Gefahr."

Autor: Peter Philipp

Redaktion: Diana Hodali