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Kein Kompromiss in Sachen Steuern

11. August 2003

– Ungarische Liberale werden gegen Änderungen im Staatshaushalt stimmen

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Budapest, 11.8.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Bettina Nemes

Die Freien Demokraten (SZDSZ) werden den geplanten Veränderungen der Steuertabelle im Staatshaushalt des kommenden Jahres nicht zustimmen. Die Partei sieht hier keine Möglichkeit für einen Kompromiss mit dem größeren Koalitionspartner MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD). Damit könnte sich der derzeitige Koalitionsstreit noch bis zur Vorlage des Budgetplans - also bis Mitte Herbst - hinziehen.

Die Freien Demokraten wollten nur einen Staatshaushalt unterstützen, der ein Defizit von 3,8 Prozent im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie die versprochene Steuersenkung vorsehe, so Parteivorsitzender Gábor Kuncze am vergangenen Mittwoch (6.8.). Bei der Planung des Staatshaushalts 2004 sei dem Finanzministerium bekannt gewesen, wie hoch die Einnahmen durch die bereits gebilligten und somit bekannten Steuersenkungen sein würden.

Die Sozialisten waren den Freien Demokraten allerdings in der vergangenen Woche entgegengekommen und hatten angedeutet, die beiden unteren Einkommenssteuersätze um je einen Prozentpunkt - bei Jahreseinkommen bis zu 650.000 Forint (ca. 2515 Euro – MD) von derzeit 20 auf 19 Prozent und bei Einkommen bis zu 1,35 Millionen (ca. 5223 Euro – MD) von 30 auf 29 Prozent zu senken. Dieser Schritt allein würde dem Staatshaushalt Einbußen von gut 20 Milliarden Forint (ca. 77,4 Millionen Euro – MD) bringen. Die Freien Demokraten bezeichneten dies als "lächerlich" und wollen "auf keinen Fall" darauf eingehen.

Im Zusammenhang mit den Meinungsverschiedenheiten zwischen MSZP und SZDSZ bei der Einkommenssteuer meinte Premier Péter Medgyessy, dass er daran glaube, bis zum Herbst doch noch zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Zwar sei auch er für Steuersenkungen, doch müsse eine Lösung für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gefunden werden. Dabei stünde auch das SZDSZ in der Regierungsverantwortung, "der es sich nicht einfach entziehen dürfe, wenn sich die Situation ändert und frühere Versprechen nicht mehr eingehalten werden können". Auch der MSZP-Vorsitzende László Kovács betonte, dass es in einer Koalition eben Debatten gebe, die Sozialisten aber zu Verhandlungen bereit seien. Es stehe soviel auf dem Spiel, dass unbedingt ein Kompromiss gefunden werden müsse.

Inzwischen wird unter Bankanalysten bereits spekuliert, ob der Steuerstreit zu einem Bruch der Koalition und somit zum Sturz der Regierung führen könnte. Allerdings ist die Mehrheit der politischen Beobachter im Moment nicht der Auffassung, dass es zum Koalitionsbruch kommen wird. Nach Meinung von Charles Robertson, regionaler Analyst der ING-Bank, wäre es eine echte Überraschung, wenn das SZDSZ die Koalition verlassen würde.

Vorgezogene Wahlen würden der Partei, die sich derzeit trotz ihres Eintretens für die Einkommenssteuersenkung nicht gerade großer Popularität erfreut, nicht gut tun. Der Politologe Gábor Török glaubt indes, dass keine der beiden Parteien einen Koalitionsbruch will und dass es dem SZDSZ derzeit einfach nur um mehr Aufmerksamkeit in den Medien geht.

Nach Auffassung des ehemaligen Kanzleramtsministers István Stumpf durchlebt die Regierung gegenwärtig eine größere Krise. Es stelle sich die Koalitionsfrage, das Vertrauen in sie sei geschwunden, und die Wirtschaft stecke ebenfalls in der Krise. Er glaube, so Stumpf, dass das einstige Bokros-Sparpaket (Der ehemalige Finanzminister Bokros hatte mit einem Stabilisierungspaket 1996 das Land vor einer schweren Finanzkrise bewahrt. Er wird von Rechtspopulisten angegriffen, weil er angeblich das Lebensniveau der Bevölkerung ohne Grund gesenkt hat - MD) besser gewesen wäre, da mit seinen restriktiven Maßnahmen wenigstens die Wettbewerbsfähigkeit angekurbelt worden sei. Medgyessy hingegen wolle für 2004 rein auf der Basis technokratischer Vorschläge des Finanzministeriums ein Sparpaket aufstellen. (fp)