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Kein Kreuzchen für die Radikalen!

22. September 2009

Die Evangelische Kirche in Deutschland verzichtet auf einen offiziellen Parteien-Check. Allerdings sollen die Wähler die Positionen der Parteien zu Wirtschaftskrise und Friedenspolitik genauer unter die Lupe nehmen.

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Banner mit der AUfschrift 'Kein Platz für rechts' (Foto: dpa)
Christen wählen demokratisch!Bild: picture-alliance/ dpa

Natürlich geht es Wolfgang Huber, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei der Bundestagswahl vor allem um eine hohe Wahlbeteiligung. Zur Wahl zu gehen, das sei das A und O der Demokratie. Zugleich räumt der Berliner Bischof ein, dass er durchaus sehr viel Mitgefühl empfinde mit denjenigen, denen die Wahlentscheidung in diesem Jahr besonders schwer falle: Zum einen, weil manche Parteien in ihrer Programmatik gar nicht so weit auseinander liegen, wie das in früheren Jahren der Fall war; zum anderen, weil viele Wähler in der Programmatik einer Partei an einer Stelle Ja sagen könnten, an der anderen aber dezidiert Nein sagten. Dennoch sei es wichtig, dass man sich zu einer Wahlentscheidung durchringe und zur Wahl gehe, sagt Huber.

Neue Farbenlehre

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber (Foto: dpa)
Bischof Wolfgang Huber: "Das A und O der Demokratie"Bild: AP

Dass manchem Bürger die Entscheidung immer schwerer falle, liege vielleicht auch am veränderten Parteiensystem mit inzwischen fünf etablierten Parteien, meint Prälat Bernhard Felmberg. Er ist als Beauftragter der EKD am Sitz der Bundesregierung, wie es offiziell heißt, sozusagen der Verbindungsmann der evangelischen Kirche zum "politischen Berlin". Das Parteiensystem habe sich weiter ausdifferenziert, so Felmberg. Man dürfe aber keine Angst davor haben, dass sich nach der Wahl vielleicht neue Koalitionen finden, die dann tragfähig seien. Für die Parteien sei das vielleicht "die größte Herausforderung, sich in der Farbenlehre neu zu orientieren und da Mischungen zu finden, die am Ende eine gute Farbe abgeben", sagt der Berliner Theologe. Für Bernhard Felmberg sind nach der Wahl Koalitionen in fast allen Farbkombinationen denkbar; nur mit einer Koalition von CDU/CSU und Linkspartei hätte der frühere Bundesgeschäftsführer des Evangelischen Arbeitskreises der CDU so seine Schwierigkeiten.

Friedenspolitik und Wirtschaftskrise als Wahlprüfsteine

So genannte Wahlprüfsteine, also ein Parteien-Check, der die Inhalte der Parteien mit der christlichen Ethik überprüft, hat bei den Protestanten nur die Nordelbische Landeskirche herausgegeben. Sie hat sich auf den Bereich der globalen Friedenssicherung konzentriert. In den Wahlprüfsteinen werden den Bundestagskandidaten 20 Fragen zur zivilen Konfliktbearbeitung, zur militärischen Intervention, zum Wehrdienst und zu Rüstungsexporten gestellt.

Der Berliner Bischof Wolfgang Huber nennt die Wirtschafts- und Finanzkrise ein Schlüsselthema zur Wahl. Hier sollten sich die evangelischen Christinnen und Christen schon überlegen, welche Wirtschafts- und Sozialpolitik sie wollten. Für die EKD gehe es um ein neues Verhältnis von Wirtschaft und Politik, bei der nicht nur eine soziale, sondern auch eine nachhaltige Marktwirtschaft gefordert sei. Für Huber ist das Kriterium der "nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft" so etwas wie ein Wahlprüfstein.

Prälat Dr. Bernhard Felmberg, Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der EU (Foto EKD)
Prälat Bernhard Felmberg: "Kein Grund zur Entwarnung"Bild: EKD

Klar sei auch, so Bernhard Felmberg, dass man als Christ keine radikalen Parteien wähle, sondern demokratische. Mit Blick auf die Bundestagswahl sei er aber recht entspannt, dass die Rechtsextremen wohl nicht sehr stark würden. Allerdings gebe es keinen Grund zur Entwarnung. Wer die Lage in Brandenburg und Sachsen kenne, der werde nie auf die Idee kommen, dass hier alle Gefahren beseitigt seien. Felmberg warnt vor einem "virulent vorhandenen Potential" der Rechten in den östlichen Bundesländern.

Und in Richtung der Partei "Die Linke" äußert Bischof Wolfgang Huber die Erwartung, dass eine Partei, die die Nachfolge der SED angetreten habe, sich in einer klareren und kritischeren Weise zu ihrer eigenen Geschichte verhalte. Das gelte auch und besonders für die Verfolgung von Christen in der Zeit der DDR. Bischof und Prälat betonen beide, dass die Kirche zu den demokratischen Säulen der Gesellschaft gehöre. Und das sei gut so. In der Weimarer Republik sah das leider noch ganz anders aus.


Autor: Michael Hollenbach
Redaktion: Klaus Krämer