1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kein Krieg, aber auch kein Veto

Ute Schaeffer26. Februar 2003

Bundeskanzler Gerhard Schröder und der russische Präsident Wladimir Putin haben über den Irak-Konflikt beraten. Überraschungen gab es keine. Ein Kommentar von Ute Schaeffer.

https://p.dw.com/p/3IxG

Der deutsche Regierungschef und der russische Präsident Wladimir Putin sind sich einig: Beide lehnen eine zweite
UN-Resolution ab, plädieren für eine Verlängerung der Inspektionen und gegen einen baldigen Kriegseinsatz im Irak. Doch dieses grundsätzliche Nein zum Krieg bedeutet nicht, dass Russland eine neue Resolution im Sicherheitsrat durch sein Veto zu Fall bringen wird.

Geschickt nutzt Moskau den Irak-Konflikt, um erneut als Akteur auf der weltpolitischen Bühne Fuß zu fassen. Beleg dafür ist die aktive Reisediplomatie russischer Politiker in den vergangenen Wochen: So reiste Präsident Putin nach Paris und Berlin, Putins Stabschef und Berater Alexander Woloschin nach Washington. Unterdessen stattete der frühere Außenminister Jewgenij Primakow seinerseits dem Irak einen Besuch ab.

Doch trotz dieser diplomatischen Gesten - anti-amerikanische Töne sind unüberhörbar: So stellte der russische Präsident in diesen Tagen vor hochrangigen russischen Militärs fest, dass die Irak-Krise belege, dass das Gleichgewicht der Mächte aus der Balance geraten sei. Amerika also als Weltpolizist und einzige Supermacht? Gar als alleiniger Profiteur der Irak-Krise? Dieses Schreckensbild ist in Russland verbreitet und bereitet nicht nur Kommentatoren, sondern auch Politikern Unbehagen. Im Fall Irak könnten sich aus der Vorherrschaft US-amerikanischer Interessen wirtschaftliche Nachteile für Russland ergeben.

Denn wenn - infolge einer von den USA gestalteten Nachkriegsordnung für den Irak - irakisches Erdöl in großen Mengen auf den Weltmarkt gerät, so würde das den Weltmarktpreis insgesamt drücken. Dann aber würden auch die Gewinne aus dem Export der sibirischen Öl- und
Gasindustrie zurückgehen. Das hätte Auswirkungen für die russische Wirtschaft, denn Öl und Gas machen heute mehr als die Hälfte des russischen Exports aus. Und mit den Gewinnen aus dem Energiesektor soll eigentlich die russische Wirtschaft modernisiert und restrukturiert werden.

Russland möchte, dass seine Interessen im Irak berücksichtigt werden, und deshalb wird es im Sicherheitsrat
nicht die Konfrontation mit den USA suchen.

Amerikanische Unterstützung ist auch in anderer Hinsicht wichtig: Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat Russland den Krieg in Tschetschenien als "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" deklariert. Ohne Vorbehalt hatte sich Russland in die Internationale Koalition gegen den Terror eingereiht. Dafür erhielt Moskau freie Hand im Kaukasus. Die Menschenrechtsverletzungen an der tschetschenischen Zivilbevölkerung sind aus den Schlagzeilen der westeuropäischen und amerikanischen Medien weitgehend verschwunden.

Solch handfeste politische und wirtschaftliche Vorteile wird Moskau nicht durch ein Veto aufs Spiel setzen wollen - wohl wissend, dass der Krieg gegen den Irak in den USA beschlossene Sache ist.