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Kein Platz für Idealisten

Peter Philipp6. Mai 2003

Amram Mitzna ist als Chef der israelischen Arbeiterpartei nur fünf Monate nach seiner Wahl zurückgetreten. Was bedeutet das für die politische Landschaft Israels und den Friedensprozess?

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Der Chef der israelischen Arbeiterpartei wirft das HandtuchBild: AP

Amram Mitzna ist ein Mann, der den Israelis unbequeme Wahrheiten sagt. So unbequem, dass er - vor erst fünf Monaten - zwar zum Führer der sozialdemokratischen Arbeiterpartei gewählt wurde, dann aber seines Lebens in dieser Funktion nicht froh wurde. Dass Mitzna am Sonntag (4. Mai 2003) das Handtuch geworfen hat, ist sicher nicht darauf zurückzuführen, dass seine Partei im Februar ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis einfuhr. Es liegt eher daran, dass es in der Arbeiterpartei nicht aufhörte zu rumoren, und dass die "alte Riege" um den von Mitzna verdrängten Parteichef Benjamin Ben Elieser nicht aufhörte, die Arbeit des Neuen zu sabotieren.

Hoher Preis

Interne Machtkämpfe haben es auch verhindert, dass die Wahrheiten des Amram Mitzna bei den Parteigenossen oder auch bei den Wählern ankamen. Da nützte es wenig, wenn der bärtige Ex-Bürgermeister von Haifa die Notwendigkeit beschwor, den Friedensprozess wieder aufzunehmen oder sich sogar bereit erklärte, mit Palästinenser-Chef Jassir Arafat zu sprechen und einen palästinensischen Staat zu akzeptieren, wenn gleichzeitig führende Vertreter der Arbeiterpartei gegen Mitzna intrigierten.

Der weigerte sich nämlich beharrlich, die Koalition mit Ariel Scharons konservativer "Likud"-Partei zu erneuern, und einige Parteifunktionäre trauern ihren Posten in der Koalitionsregierung immer noch nach. Doch der Preis für das erneute Zusammengehen mit dem politischen Gegner war hoch, meinen Kritiker der Koalition. Die Arbeiterpartei sei in der Vergangenheit als Koalitionspartner zum Feigenblatt für Scharons Politik reduziert worden, und habe ihre Rolle als politische Alternative verloren.

Politisches Anhängsel

Das Parteivolk war bereit, dieWeigerung Mitznas zu akzeptieren, denn es litt darunter, dass die Partei, die den Staat gegründet und die ersten Jahrzehnte geführt und geprägt hatte, nun immer mehr als "Anhängsel" des "Likud" betrachtet wurde. Und dass Arbeiterpartei-Politiker wie Ben Eliezer sich dazu hergaben, in den palästinensischen Gebieten mit harter Hand die Politik Scharons umzusetzen, während der damalige Arbeiterpartei-Außenminister Schimon Peres politisch und diplomatisch regelmäßig von Scharon ausgebremst wurde, konnte an der Parteibasis sicher kaum jemand verstehen.

Unter Mitzna, so hoffte man, sollte sich das gründlich ändern. Dass die Wahlen verloren gingen, verbuchte man noch auf das überzogene Konto der Vorgänger Mitznas. Aber mit deren beharrlichen Verlangen, zurück in Amt und Würden zu streben, hatte selbst Mitzna wohl kaum gerechnet. Deswegen zog die zunächst erwartete Durststrecke sich in die Länge, und schließlich blieb Mitzna auf der Strecke. Die Hoffnung, dass die Partei durch die Rückkehr zu den alten Idealen wieder erstarken könne, wurde enttäuscht.

Schicksal besiegelt

Für Idealisten ist auch in der israelischen Politik kein Platz. Die Aufrechten weichen auch dort den Opportunisten, und alte Werte werden für Posten und Macht wohlfeil verhökert, statt prononcierter Positionen herrscht politische Mittelmäßigkeit. Setzt sich diese Entwicklung fort - und zu dieser Befürchtung besteht nach dem Rücktritt Mitznas Grund genug, dann könnte Scharon vielleicht bald wieder eine "große Koalition" mit der Arbeiterpartei bilden. Der Niedergang dieser Partei wäre dann aber durch nichts mehr aufzuhalten.