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Kein Scheidungsrecht für Filipinos

Roxana Isabel Duerr2. September 2015

Neben dem Vatikan sind die Philippinen der einzige Staat weltweit, in dem es kein Scheidungsrecht gibt. Nun ist die Mehrheit der Filipinos für eine Legalisierung. Politik und Kirchenvertreter halten nach wie vor dagegen.

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Die Kirche in Samar. (Foto: ICRC)
Bild: ICRC/H. Lu

Vier Jahre dauerte es, bis sich Ana Santos legal von ihrem Ehemann trennen konnte. "Nun sind Sie eine freie Frau", verkündete ihre Anwältin nach der Gerichtsentscheidung. Doch geschieden ist Santos nicht. Ihre Ehe wurde annulliert - ein auf den Philippinen extrem kompliziertes und kostspieliges Verfahren. Neben dem Vatikan sind die Philippinen der einzige Staat weltweit, in dem es kein Scheidungsrecht gibt.

Kathedrale von Manila. (Foto:
Kathedrale von Manila - 85 Prozent der philippinischen Bevölkerung sind römisch-katholischBild: JAY DIRECTO/AFP/Getty Images

Teure Trennung

Santos gehört zur Minderheit der Filipinos, die sich überhaupt die teure Annullierung leisten können. Unter philippinischem Recht haben Ehepartner nur zwei Möglichkeiten, auseinanderzugehen: Entweder durch eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, die allerdings keine Wiederverheiratung ermöglicht, oder durch Annullierung. Das Recht auf Scheidung besteht auf den Philippinen lediglich für die fünf Prozent der Bevölkerung, die muslimisch sind.

Santos zahlte umgerechnet 3.000 US-Dollar für ihre Annullierung. Ihre Bekannte Maria investierte erheblich mehr. 10.000 US-Dollar für das komplette Trennungspaket, inklusive positiver Richterentscheidung. Dafür dauerte es bei Maria bis dahin nur sechs Monate. "Etwas Taschengeld für Anwalt und Richter beschleunigt den Prozess", weiß auch Santos. Doch sie hatte die Mittel dafür nicht und musste deshalb vier Jahre warten.

"Psychische Unfähigkeit" für das Eheleben

Für die meisten Filipinos ist die Annullierung nicht nur deshalb außer Reichweite. Zusätzlich muss ärztlich attestiert werden, dass einer der beiden Partner für die Ehe "psychisch unfähig" ist. Ein Prozess, der nicht nur extrem kompliziert, sondern für alle Beteiligten emotional sehr belastend ist. So musste Rodrigo Espejo, ein Banker aus Manila, für seine Annullierung einen Psychologen anwerben. Dieser sollte ihm "geistige Unzurechnungsfähigkeit" nachweisen. Espejo wurde als "depressiv und antisozial" eingestuft, seine Noch-Ehefrau als "narzisstisch und theatralisch".

Pia Cayetano, Senatorin und Vorsitzende des Senatsausschusses für Jugend, Frauen und Familien verurteilt das Verfahren scharf: "Diese Prozedur ist inhuman und eine Travestie des Justizsystems". Die Senatorin spricht aus Erfahrung. Auch sie ließ auch ihre Ehe annullieren.

Präsident Aquino, der selber unverheiratet ist, ist gegen die Legalisierung der Scheidung. (Foto: AFP)
Präsident Aquino ist gegen die Legalisierung der ScheidungBild: Getty Images/AFP/N. Celis

Mehrheit der Filipinos fordert Legalisierung

Immer mehr Filipinos fordern nun das Recht auf Scheidung. Eine kürzlich erschienene Umfrage ergab, dass rund 60 Prozent der Bevölkerung nun für eine Legalisierung der Scheidung ist. "Diese Umfrage zeigt, dass die Filipinos nun bereit sind, das Scheidungsrecht auf den Philippinen einzuführen. Die Frage ist nur, sind die Kongressmänner und -frauen bereit für eine Debatte und eine Entscheidung?“ fragt Senatorin Cayetano.

Jahrelang haben insbesondere Vertreter von Frauenrechtsgruppen im philippinischen Kongress versucht, den Status quo durch einen Gesetzesentwurf zum Scheidungsrecht zu ersetzen. Bereits im Jahr 2010 erhielt der Entwurf allerdings keine Unterstützung vom Präsident Benigno Aquino, der selber unverheiratet ist und auch keine Kinder hat. Dieser erklärte damals vor Journalisten: "Die Philippinen sollen nicht wie Las Vegas werden - dort herrscht ja das Klischee, dass man morgens heiratet und nachmittags die Scheidung einreicht."

Diese Ansicht muss sich unbedingt ändern, findet Senatorin Cayetano: "Aber wird das bald geschehen? Nein, es wird noch eine Weile dauern, bis die Philippinen Menschen- und Zivilrecht von religiösem Glauben trennen können."

Kirchlicher Widerstand

Der Widerstand ist jedoch groß, vor allem seitens der katholischen Kirche. 85 Prozent der philippinischen Bevölkerung sind römisch-katholisch. Der Inselstaat ist eine Art Bastion der katholischen Kirche in Asien.

"Einem Land anzugehören, in dem die Scheidung illegal ist, ist eine besondere Ehre. Jeder Filipino sollte stolz darauf sein. Liebe für die Familie ist das Herz der philippinischen Kulturidentität und kann nicht durch die Scheidung zerstört werden", ließ etwa der emeritierte Erzbischof von Lingayen-Dagupan, Monsignore Oscar Cruz, verlauten.

Papst Franziskus bei seinem Besuch auf den Philippinen im Januar 2016. (Foto: Reuters)
Papst Franziskus bei seinem Besuch auf den Philippinen im Januar 2016Bild: Reuters/R. Egagamao

Emmi De Jesus, Repräsentantin der Frauenpartei Gabriela und Co-Schirmherrin des Gesetzesentwurfs von 2010, sieht das anders: "Die katholische Kirche hat schlicht Angst, ihre kulturelle Vormachtstellung über die Mehrheit der Bevölkerung zu verlieren." Offiziell ist die Trennung zwischen Kirche und Staat auf den Philippinen bereits seit 1987 verfassungsrechtlich verankert.

"Ich fühlte mich wie eine Kriminelle"

Auch wenn Papst Franziskus bei seinem diesjährigen Besuch auf den Philippinen Anfang des Jahres einen etwas moderateren Ton zum Thema angeschlagen hatte, widersetzen sich die Kirchenvertreter auf den Philippinen nach wie vor dem Scheidungsrecht.

Für Ana Santos war die Erfahrung des vierjährigen Trennungsprozesses sehr schmerzvoll, insbesondere die langen Befragungen vor Gericht: "Ich fühlte mich wie eine Kriminelle. In den Augen der Kirche und des philippinischen Familienrechts, welches weitgehend auf der Doktrin der Kirche basiert, hatte ich etwas weit Schlimmeres begangen als eine Straftat. Ich hatte gesündigt. Ich hatte den heiligen Eid gebrochen." Ana Santos kann nur hoffen, dass ihr Land irgendwann den Mittelweg zwischen Las Vegas und dem Vatikan finden wird - damit auch ihren Mitmenschen der Ausweg aus einer unglücklichen Ehe ermöglicht wird.