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Kein sicheres Asyl für Flüchtlingsfrauen

Manasi Gopalakrishnan /dh11. Oktober 2015

Migrantinnen sind körperlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt, wenn sie in überfüllten Flüchtlingsunterkünften leben. Fehlende Unterstützung und Traumata erschweren ihnen, ihr Schweigen zu brechen.

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Flüchtllinge Nesrin aus Syrien in Bonn schaut aus dem Fenster (Foto: DW)
Bild: DW/M. Gopalakrishnan

Die 20-jährige Nesrin ist erst vor einem Monat aus Syrien nach Bonn gekommen. Und sie ist eine der wenigen Frauen, die überhaupt bereit ist, mit Journalisten zu sprechen.

Gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern hatte sie es über Umwege bis nach Griechenland geschafft, passierte schließlich die Grenze nach Ungarn und kam dann nach einer langen Reise in München an. In einem gesonderten Zug schickte man sie nach Bonn. Das schlimmste sei für sie die Zeit in einem ungarischen Gefängnis gewesen, erzählt Nesrin, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte. Dort hätten sie sich fast ausschließlich mit Männern eine Zelle geteilt.

"Das ist sehr, sehr schwer für uns Frauen", sagt Nesrin der DW. "Ich kann mich nicht vor fremden Männern hinlegen." In ihrer Kultur sei das nicht üblich. "In der arabischen Gesellschaft ist das so: Wenn ich mit einem Mann nicht spreche und keinen Augenkontakt aufnehme, dann respektiert er das und lässt mich in Ruhe." Darum habe sie Probleme, wenn sie auf engstem Raum mit Männern zusammen reisen müsse. Und sie fügt vorsichtig hinzu: "Aber ich habe gesehen, was anderen Frauen passiert ist." Details will sie nicht preisgeben.

Ungarn: Flüchtlinge in einem Gefängnis (Foto: Nesrin/privat)
Nesrin hat diese Foto in dem Gefängnis in Ungarn aufgenommen, wo sie auf ihre Registrierung warten mussteBild: Privat

Gewalt in den Heimatländern

Die meisten Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind dem Krieg in Syrien entkommen - einem Land, das laut Global Gender Gap Bericht des Weltwirtschaftsforums von 2014 auf Platz 139 rangiert. Der Bericht untersucht die Gleichstellung der Geschlechter in 142 Ländern.

"Es ist besonders schwer für uns, sexuelle Gewalttaten und Übergriffe in Syrien zu dokumentieren", heißt es in einer Stellungnahme des Worldwide Movement of Human Rights (FIDH).

Aber es sind nicht nur Syrierinnen, die sich auf den Weg nach Europa machen. Auch Frauen aus dem Irak, Afghanistan, Somalia und anderen arabischen und afrikanischen Staaten verlassen ihre Heimat. Neben Krieg und Terror erleben Frauen dort auch viel sexistische Gewalt. "Viele Überlebende scheuen sich, über ihre Erlebnisse zu berichten, weil sie Angst haben, stigmatisiert zu werden. Der kulturelle, soziale, aber auch religiöse Druck ist zu hoch", heißt es bei FIDH.

Schutzräume in Unterkünften

In der Flüchtlingsunterkunft in Bonn muss Nesrin eine Toilette benutzen, die sie "mit mindestens 100 anderen Menschen" teilt. Darunter sind natürlich auch Männer. Ihr und vielen anderen Frauen bereitet das Unbehagen. Überfüllte Einrichtungen, Unisex-Toiletten und Räume, die von innen nicht abgeschlossen werden können, verursachen bei Frauen und Kindern Angst und Unsicherheit.

Das ist nicht nur im Bundesland Nordrhein-Westfalen so, in dem Bonn liegt. In Hessen beispielsweise kritisieren Vertreter und Vertreterinnen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hessen, des Landesverbands der pro familia, des LandesFrauenRats und der Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauenbüros die Situation in Erstaufnahmeeinrichtungen. In einem offenen Brief schreiben sie, dass Frauen und Kinder dort zunehmend schutzlos seien und das spiele Männern in die Hände, die allein reisende Frauen als "Freiwild" behandelten. Vergewaltigungen, sexualisierte Übergriffe und selbst erzwungene Prostitution seien die Folge.

Selbst tagsüber sei der Gang durch das Lager bereits für viele Frauen angstbesetzt. Oft hätten sie bereits Gewalterfahrungen gemacht, daher sollte "der Zugang zum Hilfesystem sichergestellt sein". Die Organisationen appellieren an die Verantwortlichen, Schutzräumlichkeiten für alleinreisende Frauen und Kinder bereitzustellen.

Nesrin wartet sehnsüchtig auf eine dauerhafte Bleibe und auf den Beginn der Uni. Bis dahin, sagt sie, müsse sie eben irgendwie in der Unterkunft klarkommen.