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Deutsche Tunnel-Experten

Klaus Deuse8. November 2012

Profilträger der Eisenhütte Heintzmann aus Bochum verleihen dem St. Gotthard-Tunnel Stabilität. Mit Know-How aus dem Bergbau ist das deutsche Unternehmen führend bei internationalen Tunnelprojekten.

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Arbeiter auf der Baustelle des Gotthardtunnel (Foto: AlpTransit Gotthard AG) Text: Großprojekt Gotthardtunnel Schweiz - ein weltweites Vorbild für die Bürgerbeteiligung bei Großprojekten Szenen vom derzeitigen Stand des Tunnelausbaus
GotthardtunnelBild: AlpTransit Gotthard AG

Tunnelbauexperten sind weltweit gefragt. Auf welchem Kontinent auch immer ein größeres Projekt geplant wird, kommt ein deutsches Unternehmen von Beginn an mit ins Spiel: die Bochumer Eisenhütte Heintzmann. Dieses Traditions-Unternehmen für Stahlverarbeitung hat sich auf die Fertigung von Profilträgern spezialisiert. Dabei handelt es sich um Stahlträger, die dem Skelett eines Tunnels Stabilität verleihen. Die Tunnel-Kompetenz des 1851 gegründeten Unternehmens, sagt Firmenchefin Barbara von Linsingen-Heintzmann, resultiert aus den Erfahrungen im Bergbau.

Ausrüstungen für den Untertagebergbau stellt das Unternehmen auch heute noch her. Nicht nur für den schrumpfenden deutschen Steinkohlebergbau, sondern vor allem für Kohleförderer in den USA. Mit Beginn der Talfahrt der deutschen Steinkohle hat man bei Heintzmann aber auch die Zeichen der Zeit erkannt und frühzeitig die Weichen gestellt. Nach den Worten von Barbara von Linsingen-Heintzmann kam man zu der Überzeugung: "Was unter Tage im Bergbau an Technologie gefordert wird, ist genauso gut im Tunnelbau einsetzbar."

Tunnelelement der Firma Heintzmann (Foto: Eisenhütte Heintzmann)
Ohne ihn hält kein Tunnel: Ein sogenannter Tübbing mit Metallelementen, die den Druck des Gebirges ausgleichenBild: Eisenhütte Heintzmann

Anleihen beim U-Boot-Bau

Erfahrungen aus dem Bergbau zahlen sich für das Unternehmen langfristig aus. Insbesondere durch die werkseigene Entwicklung des weltweit gefragten TH-Profils. TH steht für die Namen der Erfinder Toussaint und Heintzmann. Beide, sagt Werksleiter Arno Depping, kamen aus dem Schiffsbau. "Der eine war Fregattenkapitän zur See, der andere war Oberbergdirektor. Und man hat sich überlegt, das zu generieren, was im U-Boot-Bau Anwendung findet: nämlich die Stabilisierung einer Schale, die einem umlaufenden Druck unterworfen ist."

Denn auch im Tunnelbau müssen unterschiedliche Druckverhältnisse berücksichtigt werden. "Es kommt eine Belastung auf die Profile, die Profile arbeiten mit, halten einen Restquerschnitt offen, aber kollabieren nicht", beschreibt Arno Depping die Eigenschaften des Trägerelementes.

Diese für den Bergbau entwickelten Stahlprofile verkraften enorme Drucklasten selbst in Tiefen bis zu 1600 Metern. Darauf stützten sich weltweit Tunnelbauer. Im Vergleich zum Bergbau, ergänzt Werksleiter Depping, gibt es nur einen Unterschied. "Man muss also einem umlaufenden Druck Stand halten. Im Tunnelbau werden die Profile allerdings umgekehrt gebogen angewandt, so dass die Öffnung zum Tunnelinnenraum dasteht."

Vom Gotthard bis zum Hudson River

Das Ruhrgebiets-Unternehmen steht mit diesem Produkt quasi konkurrenzlos dar. Zum Beispiel bei dem wohl bekanntesten Nord-Süd-Tunnel-Projekt in Europa, dem St. Gotthard-Tunnel. Als Alleinausstatter des gesamten Bogenausbaus lieferte die Eisenhütte Heintzmann in 14 Jahren über 30.000 Tonnen Stahlprofile in die Schweiz.

Aber auch bei anderen Großprojekten auf dem Globus verleihen die Profilträger einem Tunnel Stabilität. Barbara von Linsingen-Heintzmann nennt ein paar Beispiele. "Wir haben die Unterführung des Hudson River in New York gemacht. Wir sind beim Bau des Tunnels Turin-Lyon. Zur Zeit bearbeiten wir weltweit 26 sehr ehrgeizige und große Tunnelprojekte."

Auf die Bearbeitung kommt es an

Über 150.000 Tonnen Stahl verarbeitet das Unternehmen mit 550 Mitarbeitern jährlich. Nicht nur für den Tunnelbau. Der konsolidierte Jahresumsatz liegt mit allen Tochterunternehmen bei über 180 Millionen Euro. Überall dort, wo Stahl extremen Verhältnissen ausgesetzt ist, bietet Heintzmann aufgrund des Know-Hows in der Materialbearbeitung für den Einsatzzweck zugeschnittene Produkte.

Das Erwärmen eines Materials, merkt Arno Depping an, ist relativ trivial. "Um die notwendigen mechanischen, technologischen Eigenschaften zu erzielen, kommt es dann aber darauf an, wie gezielt man das Material abkühlt, um den entsprechenden Gefügezustand zu bekommen." Dabei wird das Material erst auf 1000 Grad erhitzt, dann mit enormen Wassermengen von 200 Kubikmetern pro Stunde abgekühlt, um dann wieder auf 700 Grad erwärmt und mit einem Druck von ca. 600 Tonnen in die gewünschte Form gebogen zu werden.

Rohre für Erdölbohrungen

Nicht nur für Profilträger im Tunnelbau. So fertigt das Bochumer Unternehmen auch Rohre für die Exploration von Öl und Gas, erläutert Arno Depping beim Rundgang durch die Produktionshallen. "Für Bohrgestänge teilweise, Bohrrohre. Wir liefern hier auch Rohre für Ölplattformen. Also überall, wo nach Öl und Gas gebohrt wird."

Also Metalle, die Hitze oder extreme Druckbelastungen aushalten. Wie etwa beim Tunnelbau. Produkte, nach denen weltweit eine große Nachfrage besteht. Mit Innovationen aus dem Steinkohlenbergbau haben deutsche Unternehmen wie Heintzmann bei der Auftragsvergabe die Nase ziemlich weit vorn. Das sorgt nicht nur für ordentliche Umsätze, sondern sichert auch qualifizierte Arbeitsplätze.