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Dreiergipfel

Miodrag Soric22. September 2006

Angela Merkel will keine außenpolitische "Achse" Paris-Berlin-Moskau. Ängste vor einer solchen Achse äußern die baltischen Staaten und vor allem Polen. Aber sind sie auch begründet? Miodrag Soric kommentiert.

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Die Bundeskanzlerin will nach einem Bericht der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' bei Deutschlands Partnerländern den Eindruck vermeiden, sie strebe eine außenpolitische "Achse" Paris-Berlin-Moskau an. Die Kanzlerin habe sich vor ihrem Dreier-Gipfel mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem russischen Staatschef Wladimir Putin am Samstag (23.9.) deswegen mit US-Präsident George W. Bush beraten und auch die baltischen Staaten sowie Polen im Vorfeld eingebunden, berichtet die Zeitung.

Rücksicht auf Ängste in Polen und im Baltikum

Angela Merkel ist keine Anfängerin mehr. Die Bundeskanzlerin weiß, wie sie sich auch in schwierigen Situationen auf internationalem Parkett zu verhalten hat. Ihr Talent wird sie an diesem Wochenende einmal mehr unter Beweis stellen dürfen - beim Treffen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und dem russischen Staatsoberhaupt Wladimir Putin in Paris. Eigentlich wollte sie gar nicht erst teilnehmen an diesem Gipfel. Vor allem deshalb, weil die drei baltischen Staaten und Polen eine allzu enge politische Zusammenarbeit der Regierungen in Moskau, Berlin und Paris nicht gutheißen.

Die Mittelosteuropäer fürchten, ausgeschlossen zu werden, ängstigen sich vor einer Politik über ihre Köpfe hinweg. War es nicht der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die Polen und Balten bei Treffen mit seinem Duzfreund Putin einfach übergangen hatte?

Beratungen mit US-Administration

Regierungschefin Merkel kennt diese Ängste. Und sie nimmt darauf Rücksicht. Noch vor dem Treffen in Paris schickt sie ihren außenpolitischen Berater nach Mittelosteuropa, um die zum Teil erhitzten Gemüter zu beruhigen. Sie berät sich mit der amerikanischen Administration. Schon im Vorfeld sorgt sie für ein Höchstmaß an Transparenz - sowohl was den Ablauf betrifft, als auch die Themen, über die gesprochen werden wird. Das ist klug und sollte von Polen und Balten goutiert werden. Schließlich ist es vor allem die deutsche Regierungschefin, die in Paris die Anliegen der kleineren Staaten im östlichen Flügel des alten Kontinents gegenüber Russland vertreten wird.

Merkel wird das tun, obwohl die derzeit in einer politischen Krise steckende polnische Führung bisher kaum eine Gelegenheit ausgelassen hat, Deutschland zu kritisieren und die bilateralen Beziehungen immer wieder unnötig belastet. Sie wird das tun, obwohl unlängst in Warschau laut darüber nachgedacht wurde, der deutschen Minderheit wichtige Rechte zu entziehen. Sie wird das tun, obwohl Warschau sogar Bundespräsident Horst Köhler kritisiert, wenn dieser einen Auftritt vor deutschen Heimatvertriebenen dazu nutzt, für einen Dialog zwischen Polen und Deutschen zu werben.

Gute Beziehungen zu Russland unverzichtbar

Dabei ist nicht von der Hand zu weisen, dass Deutschland an einem sehr guten Verhältnis zu Russland gelegen sein muss - nicht nur aus historischen, sondern auch aus wirtschaftlichen und politischen Gründen. Russland ist nicht nur als Rohstofflieferant unverzichtbar. Die boomende Wirtschaft des größten Landes der Erde wird auch als Absatzmarkt für europäische Produkte immer wichtiger.

Ohne die Hilfe Russlands wird eine Lösung der Krise um das Atomprogramm der Iraner kaum zu bekommen sein. Europa braucht Russland. Eine Feststellung, die für viele Polen unerträglich zu sein scheint. In ihren Augen kann nicht sein, was nicht sein darf. Das Misstrauen der polnischen Regierung gegenüber Deutschland und
Russland - und neuerdings auch gegenüber Frankreich - sitzt tief.


Das hat historische Gründe und ist deshalb bis zu einem bestimmten Maß nachvollziehbar. Dieses Misstrauen sollte aber nicht dazu führen, dass die Geschichte auf Ewigkeit Chancen verbaut, die in der Zukunft liegen. Polen und Balten können werden vieles verändern können, nicht aber die geographische Lage ihrer Länder. Und Deutschland hat nach dem Ende des Kalten Krieges mehr als einmal bewiesen, dass es ein guter Anwalt der kleineren Staaten Mittelosteuropas war und nach wie vor ist.