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Keine Blutstropfen – nur Schweißtropfen!

13. März 2003

Über die Notwendigkeit von Kriegen lässt sich lange streiten. Der Künstler Karl Valentin sagt gar: „Solange es Menschen gibt, wird es Kriege geben!“ Doch er fragt sich, warum diese unbedingt blutig sein müssen.

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Karl Valentin

Der Künstler Karl Valentin schrieb:

"Bei einer Reichstagswahl hat sich einmal jemand den Jux erlaubt, mich als Kaiser des deutschen Reiches zu wählen. Ich habe dieses auch sofort als Jux aufgefaßt. (...) Ich möchte zwar nie Herrscher sein über Länder und Reiche, aber eines möchte ich - nur eines. Einmal möchte ich reden dürfen in einer Völkerbundsitzung in Genf, und allen den Großen, die da immer zusammenkommen, möchte ich etwas sagen, was sie noch nie gehört haben. Meine hohen Herren – würde ich sagen! Wiederum sitzen Sie heute beisammen, um den ewigen Weltfrieden zu besprechen, wiederum werden Sie es nicht fertigbringen, den Weltfrieden unter den Völkern zu sichern, das heißt – Sie finden keine Mittel und Wege, die blutigen Kriege aus der Welt zu schaffen. Es ist traurig, daß Sie ausgerechnet gerade mich dazu brauchen (...).

Aber ich kenne Ihre Verzweiflung und erlaube mir, in dieser wichtigen Weltsache ein Wort dreinzureden. Ich weiß ja schon im voraus, daß ich für meinen wohlmeinenden Vorschlag (Abschaffung des blutigen Krieges) nur Ihre werte Lächerlichkeit auf mich nehmen muß. Das schadet nichts – nein, gar nichts – denn tausend andere werden sich an meiner Idee erfreuen. Leider muß ich mich an die häßlichen Worte klammern: "Solange es Menschen gibt, wird es Kriege geben!" – Aber, wenn es schon nicht anders sein kann – dann wenigstens keine blutigen Kriege. (...)

Wo zeigt sich die Kraft eines Volkes, wenn man mit einem Maschinengewehr 1000 kräftige gesunde Menschen wie Grashalme abmäht? Wo zeigt sich die Kultur eines Volkes, wenn man aus den Lüften Gas und Feuer über menschliche Wohnstätten wirft? – Darum, weg mit den technischen Mordwerkzeugen – die menschliche Kraft soll in Zukunft die Waffe ersetzen. (...) Ein langes dickes Drahtseil (...) wird nach der Kriegserklärung ins (...) Flachland gelegt. Hierauf werden von den beiden kriegsführenden Parteien, sagen wir, je 1000 der stärksten Sportsmänner ausgesucht. Die beiden Generalstäbe stehen auf der Schiedsrichterbühne und geben (...) den Beginn des kriegerischen Tauziehens bekannt. Keine Blutstropfen – nur Schweißtropfen – werden bei diesem Kriege fließen! Und hat nun eine feindliche Partei ihren Gegner in ihr Land gezogen, so hat dieselbe 1000 Gefangene gemacht und somit den Krieg gewonnen. Der besiegte Gegner zahlt die Auslösungssumme (...) für seine Gefangenen. Gesunde – frohe Menschen kehren vom Kriege heim! (...)"

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Auszüge aus: Karl Valentin: I sag gar nix. Dös wird man doch noch sagen dürfen! Serie Piper 1783, Piper Verlag, München 1994.

Karl Valentin, Künstler und Komiker, 1882 bis 1948