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Keine Fortschritte in der Menschenrechtspolitik mit China

Das Gespräch führte Steffen Leidel22. Februar 2006

Beim Besuch von Außenminister Steinmeier in China soll auch die prekäre Menschenrechtssituation dort angesprochen werden. Was dabei wichtig wäre, erklärt Beate Wagner vom Forum Menschenrechte im DW-WORLD-Interview.

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Beate Wagner

DW-WORLD: Außenminister Steinmeier reist nach Peking, und wie immer, wenn ein hochrangiger deutscher Politik nach China fährt, kommt die Frage der Menschenrechte auf den Tisch. In welcher Form sollte Steinmeier das Thema denn ansprechen?

Beate Wagner: Die Menschenrechte sollten integraler Bestandteil deutscher Außenpolitik sein. Das Thema sollte auf verschiedenen Ebenen angesprochen werden. Man kann sich einerseits öffentlich dazu äußern auf einer Pressekonferenz mit dem Staatspräsidenten. Es sollte aber auch auf der Ebene der vorhandenen Dialoginstrumente darauf gedrungen werden, das Thema ernst zu nehmen. Da wäre zu nennen der Menschenrechtsdialog, den es zwischen der EU und China seit Jahren gibt, und der so genannte Rechtsstaatsdialog, den Deutschland in seinen bilateralen Beziehungen mit China führt. Hier muss nach Fortschritten gefragt werden, damit sich auch ein wirklicher Dialog entwickelt. Das ist im Moment offensichtlich nicht der Fall.

Inwiefern? Wo liegen da die Defizite?

Die Menschenrechtslage in China ist ja bekannt. In China werden so viele Menschen hingerichtet wie in allen anderen Ländern der Welt zusammen. Man wird auch für Steuervergehen dort hingerichtet. Es gibt keine Presse- und Meinungsfreiheit. Die Menschenrechtslage hat sich nicht verbessert.

Angesichts dieser Tatsachen scheint der Dialog also nicht wirklich weitergeholfen zu haben. Muss da nicht mehr Druck gemacht werden?

Man sollte diese Dialogformen nur dann weiterführen, wenn sie nach einer gewissen Zeit auch Erfolge bringen. Der bilaterale Rechtsstaatsdialog muss abgerechnet werden, es muss gesagt werden, welche Fortschritte erzielt wurden, sonst gibt es keine Rechtfertigung, ihn weiter zu führen, sonst bemäntelt er eigentlich nur eine für die Menschenrechte sehr schlechte Situation in China.

Schröder hielt sich in Bezug auf China und Russland mit der Kritik an der Menschenrechtslage zurück. Sein ehemaliger Kanzleramtschef Steinmeier ist jetzt Außenminister: Wird er andere Akzente setzen?

Das kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Wir haben im Forum Menschenrechte erst einmal positiv zur Kenntnis genommen, dass die neue Bundesregierung gegenüber Russland und den USA mit den Worten von Frau Merkel andere Akzente gesetzt hat. Wir müssen jetzt sehen, wie sich das in konkrete Politik umsetzt.

Was sollte denn in China angesprochen werden?

Es gibt verschiedene Themen, die angesprochen werden können. China ist ja Mitglied im UN-Sicherheitsrat und da gibt es Fragen, die entschieden werden müssen. Zum Beispiel wie sich das Land zum Sudan stellt, ob China dort weiter als Schutzmacht eines der größten Menschenrechtsverletzter im Sicherheitsrat agiert oder ob dort auch mit China ein Gespräch möglich ist, die politische Haltung schrittweise zu verändern.

Aber mal ehrlich: Haben in punkto China Menschenrechte wirklich Priorität? Werden hier nicht wirtschaftliche Interessen vor die Menschenrechte gestellt?

Sicher, das muss man fürchten. Und dass die Menschenrechte ein integraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik sind, muss man immer fordern. Das ist ja auch Thema von verschiedenen Forderungskatalogen des Forums Menschenrechte gewesen. Wir sind nicht zufrieden mit dem Stand, den die Menschenrechte in der deutschen Außenpolitik haben. Es ist wichtig, sie als integraler Bestandteil durchzusetzen, zum Beispiel auch wenn es um Hermes-Bürgschaften, wenn es um Außenwirtschaftsbeziehungen geht, da sehen wir nach wie vor deutliche Defizite, auch in Bezug auf China.

Können Sie denn schon eine kleine Bilanz ziehen der Menschenrechtspolitik der neuen Bundesregierung? Gibt es neue Akzente?

Es gab bei den ersten Reisen der Kanzlerin neue Akzente gegeben Russland und den USA. Die Frage ist schlicht, ob sich das in konkreter Politik manifestiert. Da wird abzuwarten sein, ob in der aktuellen Debatte nicht nur Parlamentarier sich gegenüber den USA äußern und sagen, das mit Guantanamo kann so nicht weitergehen. Auch die Bundesregierung muss sich dazu deutlicher äußern und in Russland ist die Liste der Themen ja auch sehr lang.

Apropos konkrete Menschenrechtspolitik. Noch immer hat die Bundesregierung keinen Nachfolger für Tom Koenigs, den Menschenrechtsbeauftragten, ernannt, der seit kurzem UN-Sondergesandter für Afghanistan ist.

Das halten wir für ein Problem. Wir hoffen nicht, dass das symptomatisch ist für die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung. Die Position ist seit dem Jahreswechsel frei. Für uns ist es wichtig, dass es möglichst eine Person gibt, die eine starke koordinierende Funktion im Inneren und Äußeren hat. Die wäre vielleicht besser im Kanzleramt angesiedelt, um die Querschnittsaufgabe zu unterstreichen, die eine solche Position haben müsste. Es gibt in einzelnen Ministerien ja auch Menschenrechtsbeauftragte, zum Beispiel im Justizministerium. Das ist auch gut so, aber wir denken, dass diese Querschnittsfunktion, jemand der auf die Wirtschaftsbeziehungen, auf die Außenbeziehungen und auch auf das Innere schaut, sehr wichtig ist.

Beate Wagner ist Mitglied im Koordinierungskreis des Forums Menschenrechte und Generalsekretärin der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Das Forum Menschenrechte ist ein Netzwerk von mehr als 40 deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung kritisch begleiten.