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Keine leichte Aufgabe

Christina Bergmann, Washington7. November 2012

Nach seiner Wiederwahl hat Barack Obama die Amerikaner zur Überparteilichkeit aufgerufen. Es ist allerdings fraglich, ob der Präsident den politischen Stillstand in Washington überwinden kann.

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Obama hält am 25.1.2011 seine Rede zur Lage der Nation (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Nachdem feststand, dass er die Präsidentschaftswahl verloren hatte, gab sich Mitt Romney versöhnlich. In seiner Rede vor Anhängern in Boston erklärte er: "In Zeiten wie diesen können wir parteiisches Gezänk und politischen Schaukampf nicht riskieren", und forderte: "Wir erwarten von Demokraten und Republikanern auf allen Ebenen, dass sie die Menschen vor die Politik stellen."

Auch der neue, alte Präsident erklärte, mit dem Verlierer zusammenarbeiten zu wollen und erinnerte vor seinen Fans in Chicago an das Motto, mit dem er 2004 auf dem Parteitag der Demokraten in Boston begeistert hatte: "Wir bleiben mehr als nur eine Ansammlung von roten und blauen Staaten, wir sind und werden für alle Zeiten die Vereinigten Staaten von Amerika bleiben." Bei den anstehenden Aufgaben, so Präsident Obama, sei nicht nur Überparteilichkeit gefragt, sondern auch das Engagement der Bürger. Er zählte einige Punkte auf: "das Haushaltsdefizit zu reduzieren, eine Steuerreform und eine Einwanderungsreform verabschieden, das Land von Ölimporten unabhängig machen".

Kompromisse?

Doch es scheint wenig wahrscheinlich, dass die tiefe Kluft zwischen Demokraten und Republikanern über Nacht verschwinden und der politische Stillstand sich auflösen wird. Obama wird zumindest weitere zwei Jahre, bis zu den nächsten Kongresswahlen, mit einem demokratischen Senat und einem republikanischen Repräsentantenhaus regieren müssen. "Der Druck, die finanzpolitischen Probleme zu lösen, und vor allem das fiskale Kliff, die automatisch einsetzenden Etatkürzungen, zu vermeiden, wird aber sehr groß sein", erklärt Stephen Szabo, Direktor der Transatlantischen Akademie in Washington. Hier werde es wohl einen Kompromiss geben müssen, ebenso wie bei den Verhandlungen über die Anhebung der Neuverschuldungsgrenze. Die Republikaner hatten sich bei den letzten Verhandlungen stur gestellt und das Land an den Rand der finanziellen Zahlungsunfähigkeit gebracht. Michael Werz vom liberalen Center for American Progress glaubt nicht, dass die Republikaner sich "in eine Situation begeben, in der es so aussieht, als ob sie zum zweiten Mal bereit wären, das Land über die ökonomische Klippe zu schieben und in den Abgrund zu reißen."

Politischer Stillstand

Durch die Wiederwahl wird der Präsident auch verhindern können, dass seine größte Initiative der ersten Amtszeit, die Gesundheitsreform, wieder rückgängig gemacht wird. Außerdem kann er die frei werdenden Plätze der Obersten Gerichtshofes besetzen, welches die Gesetzgebung des Landes über viele Jahre beeinflusst. Doch bei anderen Initiativen wird wohl weiter ein Patt herrschen. Nach Ansicht von Szabo hängt das politische Klima von den Republikanern ab: "Sie müssen einsehen, dass sie diese Wahl vor allem deswegen verloren haben, weil sie ein Amerika verteidigen, das in die Bedeutungslosigkeit abrutscht, und es ist ihnen noch nicht gelungen, auf das neue Amerika zuzugehen, das demografisch ganz anders aussieht, in dem vor allem Latinos eine wichtige Rolle spielen."

Ansprache von Barack Obama vor seinen Anhängern (Foto: AP)
Obama will auf die Republikaner zugehen und den Stillstand beendenBild: AP

Michael Werz vom liberalen Center for American Progress erklärt: "Wenn man sich hier in Washington mit moderaten Republikanern unterhält, scheint es doch eine atmosphärische Veränderung zu geben, die darauf hindeutet, dass man wieder stärker mit den Demokraten zusammen arbeiten will." Auch Barack Obama könnte in seiner zweiten Amtzeit "befreiter" agieren - ähnlich wie Bill Clinton.

Nile Gardiner von der konservativen Heritage Foundation glaubt jedoch nicht, dass die Niederlage die Republikaner wesentlich verändern wird, da sie noch immer die Macht haben, Gesetzesinitiativen des Präsidenten zu verhindern. Die neue Generation der Republikaner wie der Senator Marco Rubio aus Florida seien alle Konservative. "Sie werden die Republikaner nicht nach links rücken sehen", meint Gardiner, "sondern ihre grundsätzlichen konservativen Ansichten beibehalten." Auch die Tea Party werde einflussreich bleiben, so seine Einschätzung.

Obama-Anhänger in Chicago (Foto: Win McNamee/Getty Images)
Obamas Anhänger sind überzeugt, dass die Probleme bewältigt werden könnenBild: Getty Images

Nile Gardiner sieht den Ball eindeutig beim Präsidenten. Von ihm hänge ab, ob es zu überparteilichen Einigungen kommt. "Bisher gibt es nicht viele Anzeichen, dass er überparteilich handeln will." Obama sei politisch sehr links, wesentlich mehr als das Land, aber andererseits ein "lame duck president", eine lahme Ente. Gardiner glaubt auch nicht, dass es eine Einwanderungsreform gibt, für die der Präsident sich stark macht: "Ich sehe keine Begeisterung auf Seiten der Republikaner für eine Einwanderungsreform."

Kaum Änderungen in der Außenpolitik

In der Außenpolitik hat Obama mehr Freiheit, weil er nicht auf den Kongress angewiesen ist. "Ich glaube, dass der Präsident im Atomstreit mit dem Iran versuchen wird, eine friedliche Lösung zu finden. Er wird versuchen, mit Russland zusammen zu arbeiten, allerdings bin ich nicht optimistisch, dass er hier viel erreicht", erklärt Stephen Szabo.  Der Abzug aus Afghanistan wird wie geplant weitergehen. Auch an der Beziehung zu Europa werde sich nichts ändern, meint Szabo, Obama werde sich weiter eher Richtung Asien wenden und mit den Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten  beschäftigt sein.

Grundsätzliche politische Richtungsänderungen erwartet auch Michael Werz nicht. Der moderatere Ton, der mit Obama ins Weiße Haus eingezogen ist, werde fortgesetzt werden. In Bezug auf die transatlantischen Beziehungen meint Werz, Brüche seien nicht zu erwarten, aber: "Die Gefahr ist viel eher, dass die Beziehungen stabil und der ökonomische Austausch weiterhin stark und wichtig und eng sind, es aber doch auf politischer Ebene gewisse Ermüdungserscheinungen gibt und man wenig Fantasie darauf verwendet, wie Europa und USA gemeinsam Probleme in anderen Weltregionen bewältigen können."