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'Nicht nur mit Scheckbuch'

21. November 2009

Die Europäer sollten sich im Nahen Osten politisch stärker engagieren, fordert Amr Moussa, der Generalsekretär der Arabischen Liga. Und er plädiert für einen umfassenden Dialog zwischen der EU und den arabischen Staaten.

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Amr Moussa (Foto: AP)
"Frieden kann nur realisiert werden, wenn er gerecht ist", meint Amr MoussaBild: AP

DW-WORLD.DE: Wie bewerten Sie die Aussichten auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses im Nahen Osten nach dem letzten Besuch von US-Außenministerin Clinton in der Region?

Amr Moussa: Der Nahe Osten, und insbesondere der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, durchlebt zurzeit eine Krise, die sich weiter verschärft. Als Präsident Obama ins Weiße Haus einzog, brachte er viel Mut und Hoffnung auf einen Wandel mit. Nun erwartet man die Umsetzung seiner "Change"-Parole, damit alle Menschen in dieser Region davon profitieren, denn sie hoffen auf ein besseres Leben durch Obamas Politik.

Doch was in den letzten Monaten geschah, hat wenig mit einem echten Wandel zu tun. Denn wir sehen kaum Veränderungen; wir sind sehr enttäuscht. Und diese Enttäuschung wird kaum zu einer Wiederbelebung der Bemühungen um eine Friedenslösung führen. Im Gegenteil: Durch diesen Stillstand wird es zu weiteren Verhärtungen und Spannungen kommen, die zu Gewaltausbrüchen und zum völligen Scheitern der Nahost-Verhandlungen führen könnten. Denn Frieden kann nur realisiert werden, wenn er gerecht ist.

Die Araber sind sehr enttäuscht vom bisherigen Verlauf der israelisch-amerikanischen Verhandlungen, da diese keine Fortschritte in der Frage der Einstellung zum israelischen Siedlungsbau erzielt haben. Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton beendete ihre letzte Nahostreise ohne nennenswerte Erfolge, die eine Bewegung in den festgefahrenen Friedensprozess hätten bringen können.

Werden sich die arabischen Positionen als Folge dieser Enttäuschung ändern?

Obama (Foto: AP)
"Als Präsident Obama ins Weiße Haus einzog, brachte er viel Mut und Hoffnung auf einen Wandel mit. Nun erwartet man die Umsetzung seiner 'Change'-Parole, damit alle Menschen in dieser Region davon profitieren", sagt Amr MoussaBild: AP

Die arabische Haltung basiert darauf, dass es keine Verhandlungen mit Israel geben wird, solange der Siedlungsbau fortgesetzt und die Jerusalemfrage ausgeklammert wird. Denn Verhandlungen unter diesen Umständen sind sinnlos und eigentlich lächerlich. Wir haben dies jahrelang getan - und sind bekanntlich kläglich gescheitert. Wir fordern einen klaren zeitlichen Rahmen für Verhandlungen über den Endstatus; an endlosen Verhandlungen ohne Garantien für die Palästinenser werden wir uns nicht beteiligen.

Wie schätzen Sie die Perspektiven der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den arabischen Ländern ein?

Was die arabisch-europäische Beziehungen anbelangt, so ist uns kürzlich gelungen, ein Abkommen zwischen der Arabischen Liga und der Europäischen Union zu unterzeichen, dessen Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten des Mittemeers auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene zu vertiefen. Denn wir streben die Wiederbelebung des umfassenden arabisch-europäischen Dialogs an. Deshalb planen wir einen arabisch-europäischen Gipfel in absehbarer Zeit.

Was die Union für das Mittelmeer anbelangt, die als Ersatz beziehungsweise Verlängerung des Barcelona-Prozesses gilt, so muss man feststellen, dass sie unter der zögernden Haltung ihrer Mitglieder leidet und bis jetzt als politische Institution kaum in Erscheinung getreten ist.

Ist es an der Zeit, dass Europa eine effektivere Rolle im nahöstlichen Friedensprozess spielt?

Podium (Foto: AP)
"Auf rhetorischer Ebene vertritt die EU ja angemessene Positionen, aber in der Praxis fehlt häufig der politische Wille", meint Amr MoussaBild: AP

Europa spielt schon eine wichtige Rolle; allerdings sollte Europa sich nicht auf finanzielle Hilfen oder eine "Scheckbuchdiplomatie" beschränken. Die Araber erwarten eine aktive europäische Rolle, die dem politischen Gewicht der Europäischen Union entspricht, weil sie mehr Ausgewogenheit in die Nahost-Friedensverhandlungen bringen wird. Auf rhetorischer Ebene vertritt die EU ja angemessene Positionen, aber in der Praxis fehlt häufig der politische Wille.

Die Arabische Liga bemüht sich seit langem um die Versöhnung der verfeindeten Palästinensergruppen. Warum konnte hier kein Durchbruch erzielt werden?

Die Feindschaft zwischen den Palästinensergruppen Fatah und Hamas ist wirklich ein peinlicher Tiefpunkt in der Geschichte des nationalen Kampfes der Palästinenser. Ein politischer Streit zwischen Parteien erfolgt in der Regel in einem souveränen Staat, aber der Staat Palästina existiert noch nicht. Die Palästinenser müssen zur nationalen Einheit zurückfinden, denn diese Zersplitterung ist aus arabischer Sicht nicht akzeptabel.

Viele arabische Beobachter behaupten, die iranische Einmischung blockiere die Versöhnung der verfeindeten Palästinensergruppen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Zu diesen Vermutungen möchte ich mich nicht äußern. Ich möchte nur, dass die Fatah und die Hamas ihre Verantwortung für diese Misere tragen und so schnell wie möglich das von Ägypten vorgelegte Versöhnungspapier unterschreiben. Denn die Situation der Palästinenser hält keine Spaltung mehr aus.

In den letzten Monaten wurde viel über Ihre mögliche Kandidatur für die Nachfolge des Präsenten Mubarak im Jahre 2011 spekuliert.

Eine Entscheidung von dieser Tragweite hängt von vielen Faktoren ab. Zurzeit sind wir weit entfernt von diesem Zeitpunkt.

Aus dem Arabischen von Loay Mudhoon.

Interview: Nelly Youssef
Redaktion: © Qantara.de 2009