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Keine strittigen Fragen, entspannte Atmosphäre

15. September 2004

- Bundeskanzler Gerhard Schröder reist nach Ungarn

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Bonn, 14.9.2004, DW-Radio, Tamas Szabo

Bundeskanzler Gerhard Schröder wird Ungarn vom 15. bis 16. September einen offiziellen Besuch abstatten. Begleitet wird er von Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn und einer Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation.

Schröder besucht Ungarn anlässlich des 15. Jahrestages der Grenzöffnung für DDR-Bürger, die letztendlich die deutsche Einheit ermöglicht und den deutsch-ungarischen Beziehungen eine neue Qualität verliehen hatte. Bundespräsident Johannes Rau drückte es im April dieses Jahres bei seinem Besuch in Budapest so aus:

"Wir haben den Ungarn außerordentlich viel zu verdanken, und die wenigsten Menschen haben ein so gutes Gedächtnis, dass sie das präsent haben. Wenn nicht am 2. Mai 1989 die Ungarn diesen elektrischen Zaun stillgelegt hätten und viele aus der DDR auf diese Weise nach Westdeutschland gekommen wären, hätte es die Entwicklung in Prag nicht gegeben am 30. September, hätte es den Fall der Mauer so nicht gegeben am 9. November. Die Ungarn sind so was wie die Urheber der deutschen Einheit, und dafür einen Dank abzustatten, das war mir schon wichtig."

Die Magyaren hätten lange Zeit gern gesehen, wenn der Dank der Deutschen auch in zählbaren Münzen zum Ausdruck gekommen wäre. Doch die Lasten der deutschen Einheit ließen keinen Spielraum für eine großzügige finanzielle Hilfe zu.

Nichtsdestotrotz haben sich die Beziehungen der beiden Staaten sehr gut entwickelt. Strittige Fragen gibt es nicht, so kann der Bundeskanzler sein Programm in Budapest entspannt absolvieren, das im Zeichen der weiteren Vertiefung der politischen und wirtschaftlichen sowie der wissenschaftlichen Zusammenarbeit steht. Schröder trifft sich mit dem scheidenden Ministerpräsidenten Peter Medgyessy, der nach einer Koalitionskrise Ende August seinen Rücktritt erklärt hatte, und mit dessen nominiertem Nachfolger Ferenc Gyurcsany. Eine gute Gelegenheit, den 43-jährigen Shootingstar der Sozialisten kennen zu lernen, den das Parlament voraussichtlich Ende September zum Premier küren wird.

Ähnlich wie die politischen entwickeln sich auch die wirtschaftlichen Beziehungen sehr gut und dynamisch. Eine Tatsache, die vor allem für Ungarn - EU-Mitglied seit 1. Mai - von großer Bedeutung ist, denn sein wichtigster Handelspartner heißt Deutschland. Auch auf dem Gebiet der Investitionen spielen die Deutschen eine wichtige Rolle: Seit 1989 haben sie in Ungarn über zwölf Milliarden Euro investiert -

etwa 55 Prozent der dorthin geflossenen Auslandsinvestitionen - und beschäftigen mehr als 200.000 Menschen.

Deutsche Investoren verhehlen allerdings nicht, dass das Donauland inzwischen an Attraktivität verlor. Die Ursachen sind mannigfaltig: Man konnte die bürokratischen Auswüchse immer noch nicht beseitigen. Es herrscht Mangel an gut ausgebildeten Arbeitkräften, die Löhne stiegen seit 2002 um 50 Prozent und der Forint fährt seit Juni 2003 Achterbahn. Zudem verursachen widersprüchliche Äußerungen zu Wechselkurs und Inflationsziel sowie die laxe Finanzpolitik Unsicherheiten.

Diese Probleme sind auch dem zukünftigen Premier bekannt, der gerade hier einen Hebel ansetzen will:

"Meines Erachtens ist es wichtig, dass Stabilität und Ruhe die Wirtschaftspolitik des Landes charakterisieren, damit Ungarn weiterhin Zielpunkt für ausländische Investoren bleibt."

Die Chance dafür hat das Land, denn trotz der Mängelliste sind 54 Prozent der in Ungarn tätigen deutschen Unternehmen mit dem Standort zufrieden und planen weitere Investitionen - eine gute Grundlage zur Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder. Und der Besuch von Gerhard Schröder bietet dazu eine exzellente Möglichkeit. (fp)