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Keine Wahl

Norbert Ahrens19. Januar 2003

Die Kubaner wählen am Sonntag (19.1.2003) ein neues Parlament. Große Überraschungen wird es kaum geben. Denn Staatschef Fidel Castro (76) ließ ausschließlich seine Gefolgsleute nominieren.

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Kann nicht von der Macht lassen: Fidel CastroBild: AP

Als die Kubaner vor fünf Jahren ihre Nationalversammlung wählten, hatten sie zum ersten Mal die Möglichkeit, sich zwischen verschiedenen Kandidaten zu entscheiden. Das ist am Sonntag wieder so. Doch eine wirkliche Auswahl ist es nicht, denn die Aufstellung der Kandidaten besorgt die Kommunistische Partei Kubas über die so genannten Kandidatur-Ausschüsse. In ihnen sitzen ausschließlich Vertreter von "gesellschaftlichen Organisationen" wie Gewerkschaftsverband, Komitee zur Verteidigung der Revolution, Frauenverband etc. - alles Unterorganisationen der Partei. Die "Nationalversammlung der Macht des Volkes" ist daher nach wie vor ein durch und durch Castro-treues Organ.

Trotzdem hat sich in den vergangenen Jahren auf der Zucker-Insel einiges verändert: Vor allem gibt es mittlerweile eine zivilgesellschaftliche Oppositionsbewegung, das so genannte "Varela-Projekt" - benannt nach einem katholischen Priester, der im 19. Jahrhundert für die Unabhängigkeit Kubas von der spanischen Kolonialmacht stritt. Über die Grenzen Kubas hinaus bekannt geworden ist das Varela-Projekt nicht zuletzt deswegen, weil es gelang, mehr als zehntausend Unterschriften zu sammeln und diese ausgerechnet wenige Tage vor dem Besuch des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter in Havanna zu überreichen.

Carter in Kuba

Carter, der im Mai vergangenen Jahres auf Einladung Fidel Castros Kuba besuchte, hielt in der kubanischen Hauptstadt eine Rede, die live und unzensiert vom kubanischen Staatsfernsehen übertragen wurde. Dabei verurteilte Jimmy Carter - was Castro erhofft hatte - das US-Embargo gegen Kuba. Dafür musste der "máximo lider" in Kauf nehmen, dass der frühere US-Präsident die neue kubanische Oppositionsbewegung lobte, was dem "Varela-Projekt" eine öffentliche Weihe gab.

Obwohl es sich, wie es in der offiziellen Sprachregelung des Castro-Regimes heißt, um "Konter-Revolutionäre" handelt, die "von den USA finanziert werden", wird das Varela-Projekt seither geduldet. Als sein Mitbegründer und Vorsitzender Oswaldo Paya im Dezember vorigen Jahres auch noch den Sacharow-Preis des Europäischen Parlamentes erhielt - der seit 15 Jahren ausdrücklich an Persönlichkeiten verliehen wird, die sich mutig für Menschenrechte und Demokratie einsetzen - war das eine weitere Ohrfeige für Fidel Castro.

Rätseln um den Nachfolger

Der 76-Jährige hat immer noch keine erkennbaren Anstalten getroffen, seine Nachfolge zu regeln. Drei Namen werden in diesem Zusammenhang immer wieder genannt: Fidels Bruder Raúl, gegenwärtig Verteidigungsminister, Carlos Lage, Generalsekretär der KP Kubas und Wirtschaftsfachmann, sowie der Präsident der Nationalversammlung, Ricardo Alarcón.

Gegen Raúl Castro spricht, dass er nicht das Charisma seines Bruders Fidel hat und zudem nur unwesentlich jünger ist als dieser. Carlos Lage liebäugelt allzu sehr mit dem Kapitalismus in seiner neo-liberalen Ausprägung. Die größten Chancen scheint daher Alarcón zu besitzen, den Fidel Castro in letzter Zeit häufig auf schwierige Auslandsmissionen geschickt hat.

So ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Wahl der insgesamt 601 Abgeordneten zur Nationalversammlung am Sonntag zum letzten Mal einen Parlaments-Präsidenten Alarcón hervorbringen wird. Es wird jedenfalls immer deutlicher, dass die Regelung der Nachfolge Castros für Kuba wichtiger ist als zweifelhafte oder auch "eindeutige" Wahlergebnisse.